Warum das mit dem „Aufschwung“ und dem Konsum – und damit der Wirtschaft außerhalb reiner Finanzrumschiebereien und dazugehöriger Zinswirtschaft – also dem, was man heute neudeutsch „Realwirtschaft“ nennt, wo man mit echtem Geld echte Dinge herstellt, kauft und verkauft, nicht klappen kann ist eigentlich nicht allzu schwer zu verstehen, möchte man meinen.
Diese Tendenz ist ja auch nichts neues, im Gegenteil, das geht ja nun schon (teils mehr als) ein ganzes Jahrzehnt so, dass die Umverteilung des Geldes von Masse auf wenige „Eliten“ dazu führt, dass die Kaufkraft der Masse – und damit die komplette hiesige Binnennachfrage – inzwischen völlig irrelevant geworden scheint. An den Autobauern kann man inzwischen allerdings gut erkennen, dass das vielleicht doch keine so tolle Idee war, mittel- bis langfristig. Aber solange weiterhin BWL herrscht wo eigentlich VWL was zu sagen haben sollte und sich die korrupten „Eliten“ und Politikerdarsteller dieses Landes weiterhin ausschließlich um ihre Pfründe und deren Erhaltung kümmern, wird sich da trotzdem nix ändern. Somit erwarte ich die zigste Wiederholung dieser Überschriften auf den Newsseiten spätestens wieder nächstes Jahr.
Wir schalten nun um nach Frankreich zu diesen Franzosen.
Nachtrag: Und weil man das hier nicht oft genug zeigen kann:
Ein ähnliches Paradox wie in der Bildungspolitik. Ein jeder Politiker redet davon, wie wichtig Bildung ist, wenn’s dann aber konkret wird, gibt es weder mehr Personal noch mehr Geld.
Bei der Kaufkraft das gleiche: jeder findet das super wichtig, wird’s aber mal konkret, ist kein Geld da. Irgendwie lässt sich auch immer ein Grund finden, warum es gerade nicht passt mit den Lohnerhöhungen: der Aufschwung darf nicht gefährdet werden … man darf die Konjunktur nicht abwürgen … im Abschwung geht nun überhaupt nix.
Selbst der Staat, der gerade mit Milliarden nur so um sich wirft, wird knauserig, wenn er die eigenen Angestellten bezahlen soll. 3% mehr dieses Jahr, 1,2% mehr nächstes Jahr. Das reicht gerade mal zum Inflationsausgleich. Verdi bekam für dieses Ergebnis dann auch gerade mal 69% Zustimmung (ohne den Osten, der mit 80% zugestimmt hat, weil endlich 20 Jahre nach der Wiederverinigung gleicher Lohn in Ost und West gezahlt wird, wäre es knapp geworden mit der Mehrheit). Ich hatte gehofft, dass das Beispiele GDL aus dem letzten Jahr Schule macht und begriffen wird, dass sich Standhaftigkeit letztlich doch auszahlt.
Das Beispiel GDL kann auch deshalb nicht Schule machen, weil die meisten Arbeiter und „Weiße-Kragen-Arbeiter“ („kleine“ Angestellten) nur wenig reale Streik-Macht im Sinne des alten Arbeiterliedes „alle Räder stehen still / wenn Dein starker Arm es will“ haben. Ein Lokführer oder ein Wartungstechniker hat „Macht“ im alten Sinne, man kann auf seine Dienste nicht verzichten, und die erforderliche Qualifikation kann man nicht im Schnellkurs erlernen. Ähnliche Berufsgruppen: Piloten, Ärzte, aber auch Krankenschwestern und -pfleger (die ihre Macht bisher ziemlich zurückhaltend ausübten, kann sich aber schnell ändern). Aber schon ein Versicherungsangestellter oder Bankangestellter, der sehr viel mehr verdient, als jede Krankenschwester, ist „im Notfall entbehrlich“. Da der „Notfall“ jetzt da ist, wird ein Bankangestellter sich hüten, „auf den Putz zu hauen“, selbst wenn er langjähriges VerDi-Mitglied ist.
Die Leute, die etwa im Callcenter oder bei Lidl an der Kasse sitzen, sind ersetzbar und wissen es auch. Und so lange es eine hohe Arbeitslosigkeit und scharfen Druck auf die Arbeitslose gibt, jede, aber auch jede Arbeit anzunehmen, wird sich daran nichts ändern.
Hinzu kommt, dass sehr viele Menschen heute befristete Arbeitsverträge haben. In der Praxis wirkt sich das so aus, wie einer immer wieder verlängerte Probezeit: wer nicht spurt, dessen Vertrag wird eben nicht verlängert. Auch über Zeitarbeitsagenturen arbeitende Leiharbeiter haben i. d. R. wenig Macht. Erst recht auf verlorenem Posten sitzen Scheinselbständige.
Was helfen könnte, wäre ein unter Umständen ein Generalstreik. Da haben die Franzosen, zu deren „nationalen Mythen“ ja einige Revolutionen zählen, den Deutschen, die seit Jahrhunderten zur Ordnungsliebe und zur „verdammten Bedürfnislosigkeit“ (Lasalle) erzogen wurden, doch Einiges voraus.