Und so eine Demonstration unterirdischen journalistischen Niveaus veröffentlicht die „Welt“ auch noch – da macht jeder Sechstklässer für die Schülerzeitung bessere Interviews. Wahrscheinlich glaubt der Inteviewer noch stolz, er habe „kritisch nachgehakt“, wenn er auf Kindergartenniveau seine stereotypen „Aber trotzdeeeem…“ – Hilflosigkeiten abgesondert hat, weil er auf argumentativer Ebene so offensichtlich garkeine Möglichkeit zu einer Entgegnung fand.
Nicht, dass es solche Möglichkeiten an der ein oder anderen Stelle nicht gegeben hätte. Aber es gehört halt dann auch etwas Hirnschmalz und Kompetenz dazu, diese Ebene auch zu bedienen. Da reicht es nicht, den Orwellschen Begriff des „Newspeak“ mal gehört zu haben – da sollte man seinen Orwell wenigstens gelesen und auch verstanden haben.
Allerdings müsste dem Interviewer dieser Begriff dann freilich im Halse stecken geblieben sein, denn dann wüsste er ja, dass er auf der Seite derer sitzt, die seit Jahren den Newspeak der neoliberalen Lobbyorganisationen und derer Handlanger in den Parteien brav kritiklos übernehmen, weitertragen und verbreiten. Ein Beleg dafür, wie unbehelligt von jeglicher Selbstreflexion, Kompetenz und Erkenntnis Journalismus inzwischen praktiziert wird ist deshalb dieses Interview. Nicht wegen dem, was Lafontaine sagt, sondern wegen dem, was man von dem Interviewenden da zu lesen bekommen muss.
Ich sehe bei den Medien immer weniger Leute, die das, was Journalismus mal sollte und wollte, noch können. Dieser Journalist gehört jedenfalls nicht dazu, im Gegenteil, er stellt für mich – mal wieder – einen weiteren Tiefpunkt für das aktuelle journalistische Niveau dar, das ich somit mal wieder noch ein Stück tiefer auf der nach unten hin offensichtlich völlig offenen Gammeljournalismusskala korrigieren muss.
Wobei ich nicht weiß, was ich schlimmer finde: das Niveau speziell des Interviewers oder dass es ein solches Stück Inkompetenz tatsächlich in die Öffentlichkeit schafft und damit bewiesen ist, dass es offensichtlich auch niemand anderen gibt, dem diese unterirdische Performance dieses Journalisten-Darstellers auffällt und die Dinge dahin befördert, wo sie hingehören: das Interview in den Müll und den Interviewer zu denen, die so einer wahrscheinlich, bis es ihn mal selbst erwischt, eh nur als Sozialschmarotzer begreifen will.
Wäre ja vielleicht heilsam. Nachdem die schleichende Abschaffung der Pressefreiheit ja ohnehin offensichtlich von den Medien selbst schon kaum bemerkt wird – bzw. – und das wiederum passt zum Kindergartenniveau – nur erst hinterher rumgeheult wird anstatt vielleicht mal vorher seinen verdammten Job zu machen.
Und ja, auch wenn da jemand anderes interviewt worden wäre als hier zufällig ein Oskar Lafontaine hätte ich diesen Eintrag geschrieben. Und schon, dass ich glaube, das dazuschreiben zu müssen finde ich ärgerlich, aber letztlich ja genau das Resultat auch dieses hier sichtbaren Tendenzjournalismus‘ – und der Grund, warum mich sowas so auf die Palme bringt. Wer heute den „professionellen“ Journalismus noch für eine unabhängige, kritische und neutrale Stütze der Demokratie hält, hält die Lobbyhure „Politiker“ auch noch für Volksvertreter.
Demnächst sind ja hier wieder Wahlen. Nein, ich habe noch nie Linkspartei gewählt. Allerdings bekomme ich langsam wirklich Schwierigkeiten. Ich fürchte, der Pispers hat recht, und auch dafür verachte ich die „etablierten Parteien“ ebenso wie die neoliberale Gesinnungsjournallie. Ich bleibe dabei, ich bin nicht „links“ (mal davon ab, dass diese Verortungen sowies inzwischen völlig obsolet geworden sind) – aber wenn ich die wählen will, die in vielen für mich relevanten Punkten meine Meinung vetreten, also „Volksvertreter“, mich selbst als zum „Volk“ gehörend definierend – dann bleibt mir ja fast nix anderes mehr übrig?
Die Xenophoben-Partei mit den „jüdischen Vermächtnissen“ einerseits und notorischen Altnazis andererseits etwa, die erst soziale Einrichtungen abschafft, Schulen verhungern lässt und Lehererstellen kürzt, und dann im Wahlkampf plötzlich „Jugendverwahrlosung“ beklagt (und mit „draufhauen“ beantworten will), „Bildungsnotstand“ und „Akademikermangel“ ausmacht (und mit Studiengebühren reagieren will) und nach der Abschaffung von zig Lehrerstellen „mehr Lehrer“ fordert und Wahlkampf mit ausländerfeindlichen Ressentiments ihre dumpfe Wählerzielgruppe zu bedienen sucht? Die schließt sich ja von selbst aus, die sind keine Lösung, denn sie sind die Ursache all der Probleme, die sie bekämpfen zu wollen behauptet – sie müssten sich ja selbst bekämpfen. Zumal ich diese für die korruptesten von allen halte.
Die „Liberalen“ Ausgerechnet die, die für alles stehen, was jetzt die komplette Weltwirtschaft in Schutt und Asche gelegt hat? Die nach wie vor „weniger Staat“ rufen, trotz der Offensichtlichkeit dessen, wohin ein Staat, der sich der Wirtschaft unterordnet, führt? Die „Staat abschaffen“ sagen aber damit „Gemeinwohl abschaffen“ meinen? Die Solidarität und Chancengleichheit schon für „Kommunismus“ halten? Eine Partei, die verurteilte Steuerbetrüger als qualifiziert für einen Ehrenvorsitz erachten?
Die Grünen? Da schau ich kurz nach Hamburg und winke sowieso schonmal ab, mit den Grünen gibt’s am Ende noch Atomkraft und Flughafenerweiterung, hauptsache Regierung, die stehen doch wirklich für nix mehr. Doch, für Hartz IV – denn es war die Rot-Grüne Koalition, die dieses Sklavensystem eingeführt hat. Ich habe lange und regelmäßig – und durchaus überzeugt – grün gewählt, ich bekenne. Ich dachte wirklich, die nehmen ihr Programm ernst. Naja, jeder kann sich mal irren. Grün jedenfalls hat bei mir genauso verschissen wie die SPD.
Womit wir bei der SPD wären. Die in meinen Augen asozialste Partei von allen – denn sie behauptet nach wie vor, für „Sozialstaat“ zu stehen, obwohl nicht mal Kohl in 16 Jahren es geschafft hat, den Sozialstaat in dem Maße zu demontieren und Chancengerechtigkeit, Solidarität und alles, was ein demokratisches Gemeinwesen noch ausmachte, abzuschaffen, wie die SPD in den letzten Jahren. Vor der neoliberalen SPD stand der Sozialstaat schon kurz vor dem Abgrund. Die SPD hat ihn da mit dem menschenverachtenden System „Hartz IV“ erfolgreich einen riesigen Schritt weiter gebracht. Hartz IV macht die SPD für mich ebenso kategorisch unwählbar wie es die CDU/CSU in ihrer nationaltümelden Xenophobie und ihrer – von der SPD ja auch mitgetragenenen – Tendenz zu grundgesetzwidrigen totalitären Strukturen schon immer war.
Piratenpartei oder andere „andere“ Die PP ist noch nicht soweit. Ich finde es klasse (und habe das unterstützt) und wichtig, dass sie es auf den Wahlzettel geschafft hat, vielleicht ist der ein oder andere Vertreter der PP auf lokaler Ebene auch wirklich schon eine Wahlalternative, aber eine Stimme für die PP auf Landesebene wäre in meinen Augen verbrannt. Leider. Noch. Aber mal sehen, diese Wahl kommt zwar noch etwas zu früh für ene PP, aber wenn ich das richtig beobachte ist das endlich mal wieder eine „Splitterpartei“, die sich zu etwas größerem entwickeln kann, ähnlich wie die Grünen mal vor langer Zeit.
Nachtrag: Wer glaubt, alle WELT-Peinlichkeiten gefunden zu haben kann ja mal mit Feynsinn vergleichen, der sich inzwischen die Mühe gemacht hat, das Geschwurbel aufzudröseln und zu kommentieren.