Seit die Definition von „Wahrheit“ des „Kirchenvaters“ Augustinus als Basis für die Etablierung der Dogmenstruktur des Christentums herangezogen wurde und das Prinzip dieser Dogmenstruktur über die Jahrhunderte als fundamentaler Teil „westlichen“ Denkens internalisiert wurde hat die westliche Denkwelt ein Problem mit dem Universum und den Bildern, die sie sich von diesem macht. Konkret: zu oft wird dieses Bild mit dem Original verwechselt und versucht, das Universum zu betrachten, indem man nur auf das Bild, das man sich von ihm machte, schaut. Und dieses Bild zum wahren Universum erklärt, als ob man davon nicht aufschauen müssen möchte weil man sich ja sonst mit der Komplexität des echten Universums rumärgern muss, dessen Haupteigenschaft eine verwirrende Vielfalt zu sein scheint. Wo doch Einfalt viel einfacher sein kein.
Derzeit zeigt sich dieser IMO integrale Teil unserer hiesigen „Denkkultur“ in einer Diskussion über Homöopathie und deren Bezahlung (bzw. der Bezahlung der vorangehenden Arztgespräche) seitens der Krankenkassen. Ich stimme dem Schockwellenreiter zu, die gesamte Diskussion ist ein Ablenkungsmanöver, nichtmal ein besonders gutes, weil – eigentlich – völlig durchsichtig und so platt, dass eine Schicht Blattgold dagegen ein Hochgebirge ist. Dennoch funktioniert es, offensichtlich, denn die ersten Kommentare auf den Hinweis „Hey, hier wurde ein Ablenkungsmanöver gestartet“ sind welche, die genau dieses Wahrheitsspiel mitmachen und nichts besseres zu tun haben als eben ihre jeweiligen „Wahrheiten“ zu verteidigen.
An anderer Stelle passiert dies freilich ebenfalls, und wer derzeit gerne live und in Farbe wissen möchte, wie das passieren kann, dass religiöser Fanatismus am Ende zu solchen Auswüchsen wie Inquisition, Kreuzzügen oder „nur“ Galileischen Widerrufen führen kann muss sich nur in zig Foren, Twitter- und facebook-Timelines und Kommentarthreads unter Blogeinträgen oder News-Seiten diesen Glaubenskrieg anschauen, der hier ausgebrochen ist.
Wobei mir viele Homöopathiegegner – sich offensichtlich im alleinigen Besitz allumfassender Wahrheit wähnend wie sonst nur der Papst – in ihrem religiösen Missionarseifer weit schlimmer vorkommen als die von ihnen bestenfalls als naiv, schlimmstenfalls als reif für die Klapse geschmähten Homöopathie-Befürworter, sprich, absolut kompromisslos in der Verkündung dessen, was Wahrheit sei – und der Überzeugung, dass alles, was dieser nicht entsricht nur falsch, Häresie, teuflischster Aberglaube sein könne, völliges Unverständnis zeigend, ja, schier Verzweiflung darüber, wie es denn sein kann, dass jemand nicht das Licht der reinen und wahren Lehre erkennen kann oder sie gar ablehne in seiner wahnhaften Verhaftung in Unwissenheit und Blindheit, denn eine andere Erklärung kann es nicht geben für diese Verstocktheiten, und zum Wohl aller und der Durchsetzung der wahren Wahrheit muss diese Verstockung gebrochen werden. Denn alles, was nicht der einmal definierten Wahrheit entspricht ist tiefster Aberglaube. Und Aberglaube bringt bekanntlich großes Unglück!
Und wie es sich für gute Fundamentalisten gehört: Gegen mich ist, wer nicht für mich ist: dieses Urteil trifft nicht nur Menschen, die Homöopathie gut finden, sondern auch alle, denen es wurscht ist bzw. eben alle, die sich nicht ebenfalls und explizit als Gegner dieser Irrlehre positionieren.
Auf die Idee, dass das, was heute als „Wahrheit“ gilt stets nur das Abbild der derzeit vorhandenen Informationen sowie eine (von vielen möglichen) Deutung dessen sein kann, und somit binnen Sekunden, je nachdem, welche noch unbekannte Information noch dazukommt, komplett obsolet sein kann – letztens sah ich eine Reportage über den vor grade mal 60 Jahren entdeckten Jetstream, ohne den heute weder Flugrouten noch Wetterprognosen mehr denkbar sind, und „Monsterwellen“ gibt es erst seit 10 Jahren, davor waren sie auch reines Hirngespinst, Aberglaube, Seemannsgarn, bestenfalls hysterischer Sinnestrug – kommen diese Verfechter und Besitzer der einzig wahren Wahrheit nicht.
[Ergänzung 14.07.] Witzigerweise sind „richtige“ Wissenschaftler sich dieser Unsicherheit durch den stets momentanen Charakter der eigenen Erkenntnisse meist bewusst und formulieren eben so gut wie nie „Wahrheiten“ sondern: Hypothesen, Thesen, Interpretationen, Erkenntnisstände, etc. pp., und unterscheiden zwischen dem, wofür diese Begriffe stehen, auch recht genau. Und dass es Eindeutigkeit im Normalfall (!) nur in zuvor idealisierter Umgebung gibt und dass eine solche freilich außerhalb geschlossener Systeme nicht hergestellt werden kann und dort der Komplexität der sogenannten „Wirklichkeit“ geschuldet die Eindeutigkeit der Näherung – und des steten Risikos der Missinterpretation vorhandener Information oder deren Befundung – weichen muss wissen sie im Normalfall ebenfalls.
Wenn es nicht so erschreckend wäre, es wäre schon wieder komisch in seiner Ironie: viele derer, die am lautesten „Vernunft! Aufklärung!“ brüllen – und damit andere Sichtweisen nieder zu brüllen versuchen – zeigen am fanatischsten alle Symptome voraufklärerischen Dogmenglaubens mit all seinen Auschschluss-Logiken , Verwechslungen von Motiv und Abbildung (Phänomen und Erklärungsversuch, Wahrnehmbarem und Definition, …) bis hin zu Forderungen, die dem Denkmodell und Absichten einer spanischen Inquisition so nahe kommen, dass man schon Angst haben muss, dass demnächst Homöopathen oder auch nur Menschen, die öffentlich behaupten, Homöopathie habe ihnen geholfen, auf Scheiterhaufen landen. OK, sowas veträgt sich heute nicht mehr mit dem Jugendschutz und den Hygienegesetzen, aber einweisen wäre doch eine Option?
Ja, diese fanatische Vehemenz mancher Homöopathiegegner erinnert mich fatal an das Prinzip religiöser Dogmen, die ebenfalls auf einer (von Augustinus mit dem Prinzip der „einen Wahrheit“ formulierten) Ausschlusslogik eines eindeutigen „wenn eines richtig ist ist alles andere automatisch falsch“ und ihre Durchsetzung „alles sich so als Falsches ergeben habende muss bekämpft und ausgerottet werden“ basiert und in einer Absoultheit einer schwarz-weißen Denke weder Zwischentöne noch schlicht „Anderes“ zulässt und die Komplexität einer „Realität“ mit all ihren bunten und oft eben auch (noch) unerklärlichen Phänomenen dadurch zu kontrollieren versucht, dass diese Realität eben „einfacher“ definiert wird und alles, was nicht in die Definition passt auch nicht mehr als Realität oder Teil einer solchen anerkannt wird. Dogmen wurden allerdings erfunden als Instrument der Kontrolle und des Machtgewinnes bzw. Machterhalts. Und genau dafür funktioniert das Prinzip, auf dem sie basieren.
Dieses Denkmodell, so meine These, ist schlicht ein Teil der, im Kern christlich geprägten, hier „im Westen“ üblichen Denk-Kultur. Der Wunsch nach „der“ allgemeingültigen Wahrheit, die stets nur „entweder – oder“ kennt, dessen Entscheidung für das eine automatisch die Ablehnung alles anderen fordert und ein „sowohl – als auch“ nicht nur nicht kennt sondern konsequent verhindert ist ein erst tradiertes, dann internalisiertes Denkmuster. Der daraus resultierende Denkfehler, wie Antje Schrupp dieses Phänomen bezeichnet, ist das konsequente – und ursprünglich auch mal genau so gewollte – Ergebnis mit den von ihr beschriebenen Auswirkungen:
„[…] Mir scheint diese Vorstellung, dass Wahrheit gleichbedeutend mit Allgemeingültigkeit ist, und dass Lösungen nur real sind, wenn sie immer und überall gelten, einer der grundlegenden Denkfehler unserer Kultur zu sein. Anstatt von der Wirklichkeit auszugehen, wie wir sie vorfinden, und im Umgang mit ihr Erfahrungen zu sammeln, versuchen wir, abstrakte Regeln und Gesetze auf konkrete Situationen anzuwenden – notfalls mit Gewalt. Und anstatt bei einem realen Problem eine pragmatische Lösung zu suchen, lassen wir das lieber sein, sobald uns theoretisch irgend eine andere Situation einfällt, in der das möglicherweise nicht funktionieren würde. […]“
Und weil das so ist und immer noch richtig gut funktioniert ist die beste Methode der Politik, von echten Problemen abzulenken: einen Religionskrieg mit klar definierten und polarisierten Feindbildern anzuzetteln.
Und wenn zusätzlich behauptet wird, dass die eine Seite der anderen was wegnähme, wie es sich in jeglichen Sozialsystemdiskussionen bewährt hat, wo sich eine zahlende Mittelschicht von denen, die alles haben und nichts davon abgeben wollen, erzählen lassen, dass sie nicht etwa deshalb soviel zahlen, weil die, die viel hatten, sich nach ihrem Bankencrash gern ihre Verluste wieder ausgleichen lassen möchten, sondern weil die Opfer dieses Wirtschaftspolitikprinzips der Konzentration und Sicherung des Vielen auf Wenige angeblich „so viel kosteten“, und behauptet wird, dass sie den Menschen am Existenztenzminimum und darunter zynisch „römischer Dekadenz“ finanzierten, dann funktioniert das grade nochmal so gut, denn nichts ist effektiver zur Steuerung und Ablenkung des Mobs geeignet als den Besitz der absoluten Wahrheit und auf Sündenböcke umgeleitete Empörung zu kombinieren.
QED
Nachtrag: Weiter bei Martin: „Von was der „Homoöphathie-Glaubenskrieg“ ablenkt“
P.S.: der Artikel ist glaub ich etwas wirr. Das liegt daran, dass ich ihn nicht an einem Stück schrob sondern zwischenspeicherte und nach ein paar Stunden versuchte, „fertig“ zu schreiben. Es ist ein Wunder, dass ich das geschafft habe, denn normalerweise brauch ich nix zur späteren Vervollständigung speichern, da ichs eh nicht fertig mache. Naja, an der teilweisen Wirrnis dieses Artikels kann man wohl auch erkennen, warum. Den nächsten Artikel versuche ich wieder an einem Stück fertig zu knödeln, versprochen 😉
P.P.S.: Disclaimer: ich bin kein Homöopathie“befürworter“. Ich bin aber auch kein Homöopathie“gegner“.
Abgesehen vom »Völlig d’accord!« …: und wieder denke ich an (eine) meine(r) Lieblingsszenen aus Friends…: »Gab es nicht eine Zeit, in der die schlausten Köpfe davon ausgingen, die Erde sei eine Scheibe? Ist es nicht erst wenige Jahre her, dass man davon ausging, dass das Atom das kleinste unteilbare Teilchen ist? Bist Du also wirklich so arrogant zu behaupten, dass es nicht eine winzigkleine Chance gibt, dass es anders ist, als Du denkst?«
Lustigerweise hatte ich schon im Februar sowas ähnliches geschrieben: http://www.jawl.net/thanks-pheebs/2010-02-16/
Da soll noch einer sagen, seichte amerikanische Comedy bildete nicht – das ist sehr schön gesagt 😀 (Deine Datenbank klemmt grade, den verlinkten Artikel muss ich wohl morgen lesen)
Japp, kann man insgesamt so stehen lassen und unterschreiben.
*unterschreib*
Ich bin ja auch vor allem mal sehr baff, _wer_ sich da grade so in diese fast schon mittelaltelichen Argumentationsmechanismen versteigt. Da hat man fast schon das Taschentuch in der Hand, weil man meint, denen den Geifer an den Mundwinkeln abwischen zu müssen.
(P.S.: Wenn Du den redundanten 9.Absatz rausschmeisst ist der Artikel überhaupt nicht wirr)
Mag sein, dass manche Kritik an der Homöopathie als Aufhänger nutzen wollen, um von der Gesundheitsreform abzulenken. Aber jenseits von vermeintlichen unnützen Kosten, die die Homöopathie verursacht oder nicht verursacht, ist die Verteidigung der Homöopathie ein gutes Beispiel dafür, wie sich voraufklärerisches Denken und Wissenschaftsfeindlichkeit in unserer Gesellschaft und in den Medien verbreitet hat. Und diese Wissenschaftsfeindlichkeit sehe ich mit größerer Besorgnis als mögliche Gesundheitsreform-Ablenkungsmanöver. Deshalb finde ich es wichtig, dass endlich einmal lauter herausposaunt wird, dass Homöopathie nicht mit wissenschaftlicher Erkenntnis unter einen Hut zu bringen ist.
Es gibt nun einmal jenseits des Placebo-Effektes keine nachvollziehbare naturwissenschaftliche Erklärung für die vermeintliche Wirkung der Homöopathie. Diese Aussage ist kein Dogma. Sie ist der Stand der wissenschaftlichen Forschung. Dieses Wissen mag sich in der Zukunft weiterentwickeln – so wie bei den Beispielen mit dem Jetstream oder den Freak Waves. Aber derzeit lässt sich nicht einmal in Ansätzen erkennen, wie Homöopathie jenseits des Placebo-Effektes wirken soll. Würde an den Modellen der Homöopathie-Anhänger etwas dran sein, dann bräuchten wir eine völlig neue und andere Physik. Man hat also die Wahl: Entweder man nimmt die Erklärungsmodelle der Homöopathen ernst oder man nimmt die moderne Physik ernst. Mir persönlich fällt die Wahl da nicht schwer.
Kern der Wissenschaft ist bekanntlich zudem die wissenschaftlichen Methodik und nicht irgendwelche Dogmen. Es ist also gar nicht nötig, die Homöopathie in einer religiös-geifernden Weise anzugreifen. Man kann stattdessen einfach die (Nicht-)Wirkungsweise testen und dann hat man seine Bestätigung oder Nicht-Bestätigung. In der Wissenschaft gibt es keine Dogmen. Kern der Wissenschaft ist es ja vielmehr Theorien zu falsizifizieren, alles in Frage zu stellen in objektiver (korrekter: intersubjektiver) Art und Weise. Die Theorien der heutigen Physik sind in solchen Falsifizierungsversuchen bestätigt worden und es wird beständig weiter versucht, sie zu falsifizieren – beispielsweise mit Hilfe des Large Hedron Colliders (LHC). Und gelänge beispielsweise am LHC die Falsifikation des derzeit anerkannten physikalischen Standardmodells, dann würde das als großer wissenschaftlicher Durchbruch gefeiert werden.
Im Angesicht dieser Menschheitsleistung namens Wissenschaft ist es einfach nur traurig, wie Homöopathie-Anhänger all diese Arbeit von 300 Jahre Wissenschaft für null und nichtig erklären, nur um an ihrem kruden Homöopathie-Wirk-Modell festzuhalten.
Ist dir aufgefallen, dass mir die Frage, ob H. nützt oder nicht, wenn es nützt, warum eigentlich, geschweige denn, inwieweit sie in ein wissenschaftliches Welterklärungsmodell passt oder nicht, im Zusammenhang meines Beitrages (und, ehrlich gesagt, zumindest zweiteres und drittes auch darüber hinaus) völlig egal ist? 😉
@Jens: oh, stimmt, da habe ich mich teilweise wiederholt. Das ist etwas redundant geworden. Weil ich da teilweise Sachen wiederholt habe 😀
„Ist dir aufgefallen, dass mir die Frage, ob H. nützt oder nicht, wenn es nützt, warum eigentlich, geschweige denn, inwieweit sie in ein wissenschaftliches Welterklärungsmodell passt oder nicht, im Zusammenhang meines Beitrages (und, ehrlich gesagt, zumindest zweiteres und drittes auch darüber hinaus) völlig egal ist?“
Nein, das ist mir nicht aufgefallen und das fällt mir auch nach nochmaligem Lesen deines Textes nicht auf. Im Gegenteil: Du bezeichnest Homöopathiegegner pauschal als dogmatisch. Und genau auf diesen Punkt wollte ich mit meinem Kommentar eingehen.
Verstehe – mal davon abgesehen, dass ich mitnichten Homöopathiegegner pauschal (und als Personen) als dogmatisch bezeichne sondern das Vorgehen und die Handlungsweisen die ganz bestimmte von ihnen zeigen („manche“, „viele“, „oft“ ist IMO durchaus differenzierender als „die“, „alle“ oder „immer“ und eine sehr bewusste Wortwahl meinerseits gewesen ;-)) finde ich bei mir nichts, was sich näher mit der Frage, wie H. nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten und Maßstäben gewertet werden könnte oder müsste bzw. ob und warum H. funktioniert oder nicht funktioniert, beschäftigt. Ich verstehe auch nicht, wie, selbst wenn ich alle H.-Gegener pauschal als dogmatisch bezeichnet hätte, eine solche Bezeichnung als Aussage zu Inhalten/Themen bez. Nutzen, Wirkung oder Nicht-Wirkung bzw. dessen Nachweisbarkeit/Nichtnachweisbarkeit nach welchen Kriterien auch immer interpretiert werden könnte – für mich wären selbst das noch immer zwei völlig unterschiedliche Themen. Wenn du mir da eben kurz auf die Sprünge helfen könntest?
Es stimmt natürlich, man kann nicht beweisen, dass etwas stimmt. Deshalb kann man sich seiner eigenen Position nie völlig sicher sein. Man kann aber sehr wohl und völlig unproblematisch beweisen, dass etwas -nicht- stimmt. Jede überprüfbare Theorie kann widerlegt werden.
Ich halte es für den geistigen Fortschritt der Menschheit für sehr wichtig, dass es Bildung für alle gibt, dass man versucht, alle Menschen möglichst klug zu machen, damit sie im Stande sind, die besten Entscheidungen zu treffen und sich fundierte Meinungen zu bilden.
Und da halte ich es schon für die Aufgabe des gebildetsten Teils der Gesellschaft, gelegentlich Aufklärung zu betreiben, indem sie aufstehen und sagen: „Diese eine Ansicht ist falsch. Hier sind die Daten, überzeugt euch selbst.“
Wir können nicht mit mathematischer Sicherheit davon überzeugt sein, dass die Erde eine massive Kugel ist. Vielleicht ist sie am Ende doch hohl, wer weiß? Aber eins wissen wir mit absoluter Sicherheit: Sie ist keine Scheibe. Das ist einfach nicht mit unseren Beobachtungen in Einklang zu bringen. Die Erde ist keine Scheibe, punkt.
Und trotzdem gibt es ein paar handverlesene Flat-Earth-Anhänger. Die könnten jetzt auch sagen: „Ihr könnt nicht alles wissen, vielleicht ist ja alles ganz anders, vielleicht ist die Erde doch eine Scheibe.“ Das ist die typische Pro-Homöopathie-Argumentation.
Ich stimme dir in einem Punkt auf jeden Fall zu: es geht bei der Frage, was ich als „richtig“ anerkenne am Ende um eine (letztlich auch persönliche) Entscheidung.
Welche Evidenzen jeder als hinreichend für eine solche (u.U. mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit später zu revidierende, aber das ist für den Moment nicht relevant) Entscheidung benötigt ist am Ende ebenfalls eine Entscheidung. Und ja, ich kann mir viele Entscheidungen vorstellen, von denen ich ausgehen kann, dass eine Revision zumindest in einen Zustand, für den man sich zeitlich mal vorher entschieden hatte, aber diese revidierte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Unwahrscheinlich ist. Die Entscheidung z.B., dass die Erde eine weitgehende Kugelform hat. Und dass, selbst wenn sich mal rausstellen sollte, dass diese Kugel aus anderer Perspektive doch was anderes sein sollte, eine Rückkehr zu „Scheibe“ dennoch nicht wahrscheinlicher wird.
Du siehst: man kann recht prima ohne Polarisationen und Ausschlusslogiken auskommen 😉
Aber wie gesagt: Um die Frage „Wirkt H.“ gehts mir nicht, ich habe dazu weder eine Aussage gemacht noch habe ich vor eine zu machen. Nicht, weil ich dazu keine Position hätte. Sondern weil sie für das, worum es mir in meinem Artikel geht schlicht keinerlei Relevanz hat, im Gegenteil, sie würde von meinem Thema wegführen. Mir geht es um ein – internalisiertes? – Denkschma und die offensichtlich zwanghaften Verhaltensweisen, die sich daraus ergeben. Ich habe oben (wie Jens korrekt feststellte sehr redundant) beschrieben, welches ich meine.
Und nein, auch „Aber H. ist doch auch nur Glaube/Religion“ ist hier nicht gefragt, denn ich habe nirgends behauptet, dass es nicht so sei. Meine Beobachtung ist vielmehr und allerdings, dass sich einige Menschen, die explizit nicht eine Religion vertreten möchten und explizit religiöses Denken ablehnen, die „Ratio“ und „Aufklärung“ quasi als ihre Muttersprache behaupten, genau das zeigen: religiös-dogmatische Argumentationsmuster, missionarischen Eifer, bis hin zu inqusitorischem Wahn. Da wird quasi aus heiligen Büchern zitiert, absolute Wahrheit gesprochen, Macht von Autoritäten beschworen und Andersgläubige verunglimpft, verurteilt und verdammt, dass jeder Papst heute neidisch werden muss und von vergangenen Zeiten träumt. Um dieses Phänomen geht es mir.
Und darum, wie einfach es nach wie vor ist, „vernünftige“ Menschen zu manipulieren indem Leute einen Glaubenskrieg anzetteln, indem sie nur die richtigen Denk-Mechanismen aus dem Mittelalter antriggern, und die sich darüber freuen, dass die Beißreflexe um den in die Runde geworfenen Knochen funktionieren und niemand mehr dorthin schaut, wo sich sie selber und ihre Kumpels derweil das Steak schmecken lassen.
Ich habe mir drüben bei mir so einige Gedanken gemacht, von was der „Homoöphathie-Glaubenskrieg“ ablenkt.
Das wird aus Deinem Artikel überhaupt nicht klar, auch aus Deinen Kommentaren dazu nicht. Hier muss man lucomo zustimmen (auch zu seinen/ihren anderen Einlassungen gebe ich 100% ack).
Ich sehe nach wie vor nicht ansatzweise, was Dein Punkt ist. Du verallgemeinerst nicht direkt, da gebe ich DIR Recht, aber aus Deinem Artikel kann ich mir nur die Quintessenz ziehen „H-Gegner sind religiöse Spinner“. Sonst sehe ich da nix.
Ok, die Theorie, dass man damit von was anderem ablenken will wäre noch. Geht meiner Meinung nach Richtung Verschwörungstheorie. Wenn man sich das Feedback der letzten 10 Jahre auf bestimmte Gesetze/Politik anschaut – ich weiss nicht, „die da oben“ wissen, dass sie keine heiligen Kühe schlachten müssen, um das „Volk“ zuhause vor der Glotze zu halten.
Wo ist Dein Punkt? Die 3-4 Hanseln, die dir dogmatisch beibringen wollten, dass Homöopathie Mist²³ ist? An denen musst Du Dich abarbeiten? Diskutier mal „sachlich“ mit Befürwortern. Länger als 5 Minuten. Da kannste ein dickes Buch ranten.
Btw: Auch wenn’s dogmatische religiös verbrämte Spinner sind;), und auch wenn’s eigentlich gar „nicht Dein Thema“ ist, lies mal: http://blog.gwup.net/2010/07/13/homoopathie-viel-aufregung-um-fast-nichts
mike, ich muss nicht mit H.-Befürwortern diskutieren, um festzustellen, dass deren Darstellungen nicht auf wissenschaftlicher Denke aufgebaut sind – die meisten, die ich kenne, behaupten das allerdings auch nicht, insoweit: nichts bemerkenswertes, nichts ungewöhnliches und damit für mich nicht weiter interessant. Zumal ich, wie gesagt, überhaupt keine Lust habe, solch öde schwarzweiß-Themen zu beackern, DAS wäre ein „Abarbeiten“, nicht die Betrachtung des Verhaltens von Leuten, deren Selbstverständnis und das, was sie tun und wie sie es tun sich so diametral entgegenstehen, ohne dass ihnen das offfensichtlich auch nur ansatzweise bewusst würde.
Denn wenn Leute, die behaupten, diese Wissenschaftlichkeit zu vertreten, dies mit Mustern tun, die wenig mit Wissenschaft, dafür viel mit religiösem Eifer zu tun haben, dann wundere ich mich darüber und finde das durchaus interessant und faszinierend.
Ebenso, wie ich es faszinierend finde, dass sich ebenjene sich als ach so rational denkenden Leute hier so willig manipulieren lassen, darunter durchaus Leute, die an anderen Stellen selbst oft und treffsicher auf Manipulationsversuche und Rauchbomben hinweisen. Martins weiterführender Artikel beschreibt das nochmal sehr schön genauer.
Wenn du das dagegen normal und OK findest, bitte, kein Problem. Ich finde das halt interessant und paradox genug, mich zu fragen, was die da eigentlich tun und warum, und einen Artikel drüber zu schreiben.
Hier noch der Klassiker zum Thema: http://www.skeptizismus.de/
Irene: Geile Seite. Selten was gesehen, was besser zeigt, wie Kreationisten & Co so ticken.
Haste da noch mehr? Wird schnell öde.
Danke für diesen differenzierten Beitrag, der vieles zum Ausdruck bringt, was mir beim Verfolgen der Debatte auch so ähnlich durch den Kopf ging. Ich bin was die Wirksamkeit homöopathischer Mittel angeht, tendenziell auch eher skeptisch, aber wie mit der vermeintlichen WAHRHEIT wissenschaftlicher Befunde alles wegargumentiert wird, was nicht ins Weltbild passt, das befremdet mich doch zusehends. Die wissenschaftliche Wahrheit von heute war bei Licht besehen oft genug nichts anderes als der erkannte Irrtum von morgen. Um Wahrheit geht es in der Wissenschaft doch streng genommen gar nicht, sondern nur um Hypothesen, die jederzeit von noch plausibleren Hypothesen abgelöst werden können. Aber damit kann man Leuten, die Szientismus als Ersatzreligion betreiben, nicht kommen.
„Der Zweifel ist aller Weisheit Anfang“, hat René Descartes mal geschrieben, und ich wüßte nicht, warum man „amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt…“ da ausnehmen sollte.
@irene: kenn ich, ist mit einigen anderen in meinen Bookmarks 😉
@mark793: Schönes Zitat von diesem Descartes. Scheint ein schlauer Typ gewesen zu sein. 🙂
Das steht im Homöopathie-handbuch, oder wie? Selten so einen Mumpitz gelesen.
Das nenn‘ ich mal eine fundierte Argumentation auf wissenschaftlichem Niveau *lol*