kommen Populisten wie die Schönbohms, Schäubles, Schillys, Kochs und wie sie alle heißen (Stoibers und Becksteins nicht zu vergessen) ihrem offensichtlichen Ziel, aus einem sozialen Rechtsstaat einen – gar schon willkürlich anmutenden – bürokratischen Obrigkeitsstaat, die dessen Einwohner in völliger Ohnmacht als Spielball der „Mächtigen“ zurücklässt, zu machen gefährlich nahe.
Denn gerade das ständige „Sicherheits“-Gequatsche, das dem Otto Normal da draußen suggeriert, die Zeiten würden immer gefährlicher und unsicherer, Verbrechen all überall, gegen das nur ein „hartes Vorgehen“ hülfe, basiert, wie das Wissenschaftsmagazin „nano“ berichtete, auf einer vor allem durch die Boulevardisierung in den Medien zurückführbaren Verzerrung der Realität und damit der Wahrnehmung eben jener seitens des Bürgers.
[…]Obwohl man in den Nachrichten permanent über Kriminaldelikte hört und liest, sinkt die Zahl der Straftaten in Deutschland tatsächlich von Jahr zu Jahr. Das hat Christian Pfeiffer, ehemaliger Justizminister von Niedersachsen und heutiger Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts des Bundeslandes anhand von Statistiken festgestellt: „Die gefühlte Kriminalitätstemperatur entspricht absolut nicht der Realität.“ Im Vergleich zu vor zehn Jahren ging die Zahl der Morde um 40,8 Prozent zurück.
Banküberfälle nahmen um 44,4 Prozent ab und die Zahl der Wohnungseinbrüche sank um 45,7 Prozent. […]
nano: Immer weniger Verbrechen, doch die Angst wird größer
Nun ist das ja vom Effekt her nicht wirklich neu (und langsam weiß ich wieder, warum ich mein Blog mal so nannte wie es jetzt heißt), aber die These dass schwerpunktmäßig „das Fernsehen Schuld“ sei ging mir da heute nicht mehr aus dem Kopf, denn mein Grundreflex ist eigentlich der, zu sagen (äquivalent zu den dümmlichen Diskussionen um „Killerspiele“ und all den Quatsch) dass ich das eigentlich nicht so recht glauben kann. Und in der vereinfachten These einer „direkten“ Kausalität auch nicht tue, denn letztlich gewinnt man Kompetenz, hier Medienkompetenz, nicht durch Vermeidung (oder gar Verboten, wie die populistischen Politiker allenthalben aktionistisch aus solchen Studien schließen, um sich letztendlich aber nur um ihre eigenen Verantwortungen zu drücken) sondern durch reflektierte Beschäftigung mit entsprechenden Dingen.
Erschreckend und neu war für mich allerdings die Information über manche Konsequenz dieser Tendenzen, z.B. dass trotz Rückgang der Kriminalität die Gefängnisse voller sind als je, weil das Strafrecht völlig gegen den Trend immer mehr verschärft wurde, immer mit dem Argument, „abschrecken“ zu müssen, zu Gunsten einer Sicherheit, die in Wahrheit schon längst größer war und ist als wie sie uns da verkauft wird. Warum? Vielleicht hat nano mit dieser These ja recht:
[…]Wie Justiz-Professor Bernhard Haffke von der Uni Passau herausgefunden hat, hat es seit 1998 im deutschen Strafrecht nur noch Gesetzesverschärfungen gegeben. Bei fast allen größeren Straftatbeständen hob der Gesetzgeber die Strafandrohungen ganz wesentlich an. Dabei war die Zahl der Straftaten schon vorher kontinuierlich massiv zurückgegangen. Ein Grund für diese Verschärfung könnte in der Legitimation des Staates liegen.
In Zeiten, in denen der Staat den Bürgern offensichtlich keine ausreichende Sozial-, Renten- und Gesundheitsversorgung mehr anbieten kann und auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen versagt, muss er sich eben anders legitimieren. Um die hohen Ausgaben für die eigene Unterhaltung zu rechtfertigen, propagiert die Politik den Sicherheitsstaat und die Einschränkung von Freiheitsrechten, obwohl sie eigentlich die Demokratie schützen soll. […]
nano: Weniger Verbrechen – mehr Menschen sitzen im Gefängnis
Dann fiel mir aber ein, dass es einen eklatanten Unterschied gibt zwischen dem, was man heute (nicht nur, aber dort noch immer sehr viel stärker) von den Privaten auf den Bildschirm geschmiert bekommt und dem, was ich von „Fernsehkonsumfreudigeneren Zeiten“ her kenne, bevor ich in den letzten Jahren selbst mein Medienverhalten änderte (nämlich, immer weniger und dafür immer gezielter und punktueller fern zu sehen – eben wegen jener Veränderungen). Heißt, anstatt (wie auch Pfeiffer allzuoft) ständig nur Quantitäten gegeneinander zu stellen und lustige Kausalketten drauf aufzubauen, wäre es wohl mal interessant, sich die qualitativen Veränderung des Wahrzunehmenden anzuschauen und mit dem abzugleichen, was die Leute aus ihren Wahrnehmungen auf die sie umgebende „Realität“ zurückschließen.
In den letzten paar Jahren kamen gerade in den Privaten inflationär Formate auf, die bewusst die bisher halbwegs klaren Grenzen zwischen fiktionalen Inhalten (wie Krimis, Actionfilme o.ä.) und Realität „vermittelnden“ (wie Reportagen und Dokumentationen) aufweichen – da werden jeden Tag auf mehreren Sendern von „echten“ Richtern und „echten“ Staatsanwälten o.ä. „Fälle“ behandelt, einerseits so banal und damit „alltäglich“ wie möglich, andererseits so schlecht „gestellt“, dass es einen an die nachgespielten Fälle von „XY-Ungelöst“ erinnert – und die waren ja auch „echt“, das machte ja damals schon den Grusel aus.
Wenn das Argument korrekt ist, dass „Killerspiele“ und „Gewaltfilme“ einen „normal“ sozialisierten Menschen nicht zum schießwütigen Gewaltmonster mutieren lassen, eben, weil (und diese Erfahrung kann ich voll und ganz bestätigen) schon Kinder sehr gut zwischen ihren fiktionalen Spielwelten, und eben auch denen im „gespielten“ Film oder Computerspiel, und der „Welt in echt“ unterscheiden können, dann ist es wohl genau diese Tendenz, seitens der Massenmedien diesen Unterschied immer mehr verschwimmen zu lassen, die tatsächlich die fiktionale „kriminelle“ Welt in die völlig ungefährliche Realität als Wahrnehmung ohne reales Gegenstück herüberschwappen lässt.
Das Ergebnis sind völlig überängstliche Eltern und Großeltern, die ihre Kinder am liebsten nur noch mit Bodyguard „nach draußen“ lassen würden und nicht mehr schlafen können, wenn der Sprössling beginnt, abends auf Parties zu gehen oder gar mal über Nacht wegbleiben zu wollen, Menschen, die sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus trauen und Kinder, die durch das Beispiel ihrer Eltern und Großeltern tatsächlich schon richtige Phobien entwickeln und die Umwelt als potentiell bedrohlich beigebracht bekommen, und damit langsam eine wachsende Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens, das ich persönlich jetzt schon als unerträglich empfinde.
Und dann kommen die Herren Politiker auch noch und nutzen auf unverantwortlichste Art und Weise diese völlig unbegründeten Ängste für ihre Zwecke. Klar, wer Angst hat muckt nicht auf. Es gibt Dinge inzwischen, da muss man sich schon sehr anstrengen, fiktionale Vorstellungen streng von realistischen Handlungen getrennt zu halten.
Ob es da wirklich hilfreich ist, diese Trennungsschärfe auch noch bewusst und mit „Gewalt“ aufzuweichen? Nicht, dass eben jene Herren eines Tages aufwachen und um sie herum haben sich gerade die Fiktionen, die so „in echt“ freilich keiner wirklich wollen kann, Bahn in die Realität gebrochen, die sie tatsächlich verhindern wollten… man wird ja nochmal träumen dürfen… noch, jedenfalls.
Mal sehn wie lange noch….