Ärzte-Zensur

Der aktuelle Ärzte-Song „Lasse reden“ wird wohl auch bei Antenne Bayern gespielt.

Aber (Nachtrag: auch gern mal) ohne die Zeilen:

[…] Lass die Leute reden und lächle einfach mild
Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der Bild
Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht
Aus Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht. […]

BILDBlog fragt sich, ob’s vielleicht daran liegt, dass Springer zu 16% an dem Sender beteiligt ist.

An Stelle der Ärzte würde ich dem Sender untersagen, den Song in einer solch verstümmelten Fassung zu spielen. Mag sein, dass es „nur“ POP-Musik ist – aber es ist dennoch Musik – also Kultur, Kunst, Kreation – Ein Song ist ganz oder garnicht, aber nicht nur die Textzeilen, die einem grad opportun sind. Ich hoffe, dass die Ärzte da ein bissl Rabatz schlagen – wehret den Anfängen oder so. Erst politisch korrekt, jetzt kommt die economical correctness, oder was?

13 Gedanken zu „Ärzte-Zensur

  1. Die Ärzte sind ja nun durchaus bekannt dafür, hier und da mal indiziert worden zu sein etc. – aber solcherlei Verstümmelungsaktionen aus mutmaßlich rein wirtschaftlichen Beweggründen ist eine neue Qualität von Beschneidung von künstlerischer Freiheit und Ausdruck, das ist ja kein Jugendschutz oder sowas (wie auch immer man auch dazu steht) sondern Aussageveränderung nach wirtschaftlicher Gemengelage (und damit Willkür), wenn das so stimmt, wie BILDBlog das beschreibt und vermutet. Und wenn ich mir das selber so ansehe, dazu die Entwicklungen der letzten Jahre, dann sehe ich leider wenig Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Und wenig Grund, zu vermuten, dass dies etwa kein Beginn eines Trends ist sondern nur ein zufälliger Einzelfall wäre. Zumindest dem Versuch nach erscheint mir das durchaus „folgerichtig“, wenn ich mir auch nur das Gebaren von Konzernen in den letzten Monaten so ansehe. Und nicht das von nur Springer.

    Konzerne scheinen ja inzwischen sehr allgemein schon davon auszugehen, dass nichtmal mehr Recht und Gesetz für sie gelten (vgl. den Umgang mit persönlichen Daten etc.), da sind solche „weichen“ Vorgaben wie Ethik oder Moral ja eh schon länger Makulatur.

  2. An Stelle der Ärzte würde ich dem Sender untersagen, den Song in einer solch verstümmelten Fassung zu spielen. Mag sein, dass es „nur“ POP-Musik ist – aber es ist dennoch Musik – also Kultur, Kunst, Kreation – Ein Song ist ganz oder garnicht, aber nicht nur die Textzeilen, die einem grad opportun sind.

    Interessanterweise akzeptieren wir ein derartiges Verhalten ja bereits im Fernsehen, wenn Filme gekürzt werden wegen Jugendschutz oder um ihn ins Sendeschema zu quetschen (idealerweise der Werbung wegen). Oder Filme werden sinnentstellend umgeschnitten, der moralischen Verpflichtung wegen: So wie True Romance, wo das Gangsterpärchen in der Fernsehversion vor ein paar Jahren am Ende starb, statt wie im Kino zu überleben, um so zu zeigen das Drogenhandel böse ist und Verbrechen sich nicht auszahlt.

    (Siehe auch: Zensur in Videospielen.)

    Nur so als Einwurf, ist ja auch Kultur, Kunst, Kreation…

  3. ja, Jugendschutz o.ä. sind ja schon strittig genug als Grund, p.c.-ness IMO schon nicht mehr wirklich (Ich werde es auch Herrn Lukas nicht verzeihen, aus Han Solos Schießerei in der Bar eine Selbstverteidigung gemacht zu haben, aus p.c.-Gründen) – eine willkürliche Veränderung in der Aussage vorzunehmen aus rein wirtschaftlicher Intention heraus wäre aber eben eine neue Qualität. Da ist eine Grenze überschritten, die IMO nicht mehr ansatzweise diskutabel sein kann. Wie gesagt: über Jugendschutz o.ä. und wie man da künstlerische und „sozialpädagogische“ Interessen unter einen Hut kriegt, welche Maßnahmen nötig und welche nicht mehr sinnvoll sind etc. lässt sich ja streiten, da gibt’s ja wirklich Argumente für alle Seiten – über sowas IMO aber nicht mehr.

    Das ist dann übrigens auch der Grund, warum ich von der „Wirtschaft“ gesponserte Kunst und Kultur sehr skeptisch gegenüber stehe. Bzw. der Idee, dass Wirtschaft das tut. Aber da bin ich -> ja auch nicht allein.
    Mag sein, dass ich da empfindlich wirke, liegt vielleicht daran, dass ich selber Musik mache, und ich, wenn sich sowas verbreitet, viele unserer Texte wohl auch als gefährdet erkennen muss. OK, die werden im Moment noch nicht im Dudelfunk gespielt, aber wer weiß schon, was noch alles so passiert…

  4. „(…) viele unserer Texte wohl auch als gefährdet erkennen muss.“
    Da wollte ich Dir schon widersprechen. Aber dann fielen mir die haarsträubenden Begründungen ein, mit der seinerzeit einige Titel der „Ärzte“ indiziert wurden. Irgendwas mit Jugendschutz ließe sich bei einigen „Singvøgel“-Liedern mit etwas Phantasie und viel bösem Willen schon konstruieren – zumal der Standard im deutschen Jugendschutz sich wieder „back to the 50’ts“ bzw. in die Richtung „klostertauglich“ bewegt.

    Vor kommerziell motivierter Zensur seid Ihr ja vorerst noch halbwegs sicher. Aber ich könnte mir, und ganz besonders im „Freistaat Bayern“, Zensur zugunsten der etablierten Kirchen allzu leicht vorstellen.

  5. Naja, politisch habe ich da noch lange keine Angst, sowas wie „Stasi 2.0“ wird heutzutage noch keinen nach Bairisch-Guantanamo bringen, und Jugendschutz, wie gesagt, da kann man sich ja auch über sonnhaftig- und -losigkeiten streiten. Mir geht’s hauptsächlich um das Novum der ökonomisch motivierten Zensur, die ist, soweit ich das sehe, in dieser Form ein Novum. Vor allem deutschsprachige Songs bleiben da ganz schnell auf der Strecke, sobald sie aus dem „ich liebe dich und du liebst mich“-Raster fallen – Ich denke da auch an Leute wie Reiser, BAP, selbst Gröni oder Fettes Brot, also nicht unbedingt der klassische „kritische Liedermacher“ im Sinne eins Hirsch o.ä., sondern „ganz normale“ Popmusik halt. Die z.B. irgendwo „Coca-Cola“ oder „McDonalds“ als Metapher für irgendwas ungesundes im Text stehen hat – und denen man die Zeile wegretouchiert, weil man Angst hat, der Werbekunde könnte abspringen oder so.

  6. Pingback: Duckhome
  7. Jetzt auch noch kommerzielle Zensur – das wird immer übler.

    Die von dir, Sven, im Kommentar angedeutete „Zensur aus vorauseilendem Gehorsam“ gibt es bereits. RTL nahm den Song „Gott ist ein Popstar“ von Ooomph aus dem Programm, um die Kirche nicht zu ärgern.

  8. Ja klar gibts die, schon länger – wer (in Bayern) erinnert sich nicht an den schwarzen Bildschirm von Bayern 3, wenn in Formel 1 das Video zu „Jeanny“ von Falco lief.

  9. „oder madonnas „like a prayer“. lief damals auch nur als schwarzer schirm.“

    So etwas meine ich mit „Zensur zugunsten der etablierten Kirchen“ – denn Madonnas Clip ist auch bei strenger Auslegung nicht jugendgefährdend.
    Der Fall „Oomph“ liegt etwas anders – wie Londo es so treffend ausdrückte: vorauseilender Gehorsam. Nur nicht anecken wollen. Oder schlicht: Feigheit.

  10. Auch wenn manche Ärzte-Songs ein wenig „poppig“ klingen – die Texte sind keineswegs Pop und oberflächlich. Und die Jungs haben mit offensichtlichen Wahrheiten noch nie hinterm Berg gehalten. Einer der Gründe, warum ich Die Ärzte mag. Glücklicherweise lebe ich nicht in Bayern. 😉 Musik wird mittlerweile also schon wegen ihres Wahrheitsgehalts zensiert. Armes DE.

    Meine Vorliebe für Die Ärzte und die meines Bruders zu eher nach rechts ausgerichteten Songs/ Gruppen führt btw. daheim immer zu amüsanten Diskussionen… 😉

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