Ja ich habe auch eine Meinung zu der Wahl da in Amiland. Ich bastel einfach mal zwei Kommentare zusammen, die ich heute woanders schon schrob:
Also ich find’s einfach mal gut. Nein, schön reden braucht man sich nichts, aber schlecht reden auch nicht. Da lass‘ ich mich lieber von anderen „naiv“ schimpfen. Besser als ein misanthroper Zyniker zu sein, der sich über nichts mehr freuen kann und Leute, die es tun, für blöd oder bestenfalls eben naiv halten. Da laufen da draußen schon viel zu viele rum. Sonst wär‘ die Welt nämlich nicht so, wie die sagen wie sie wäre.
Da ist mir vieles [an Reaktionen im Bloggerland] zu misanthrop oder aus einem negativen Menschenbild heraus oder auch aus einer wegen mir auch unbewussten Attitüde des Misstrauens gegenüber Gefühl/Emotion heraus gesagt, obwohl letzteres (im Gegensatz zur gern vorgegebenen „Vernunft“) die Haupttriebfedern menschlichen Handelns sind und mir da Freude und Begeisterung 10 mal lieber sind als Angst und Misstrauen – ich halts mit Don und find’s erstmal OK – inklusive des Grußes an die 48%.
Und ja, ich wünschte, ich sähe auch hierzulande auch nur einen einzigen Politiker, der nicht nur seine Pfründe, oder seinen nächsten Aufsichtsratsposten, oder sein Ego oder seine Profilneurose oder das „Land GmbH & Co. KG“ – sondern die Menschen – und zwar alle in diesem – im Blick hätte, sich gar einfach dazu zählt zu diesen Menschen, sie nicht einteilt in „nützlich“ oder „lästig“ oder „anders“ oder „unwichtig“ oder „wichtig“. Der nicht zwischen „die“, „die andern“ und „ich“ unterscheidet sondern ein großes „wir“ sieht, das solange nicht perfekt ist, solange auch nur einer außerhalb steht, der das nicht explizit will (Faschos z.B. – die wären ja keine, wenn sie nicht explizit in Grenzen dächten, und stellen sich damit selbst „raus“).
Denn egal, ob Obama es schafft, auch nur einen Bruchteil seiner Versprechen zu halten oder nicht: dass ihm das Ideal der Solidarität einer Gemeinschaft Ernst ist nehme ich ihm ab, und seinen integrativen Ansatz auch. Dass er nicht von „America“ spricht sondern explizit von den „United States“ ist bei einem großartigen Redner wie Obama freilich auch kein Zufall.
(Habe ich schonmal erwähnt, dass ich gute Redner klasse finde? Die Amis hatten seit M. L. King keinen so guten wie diesen mehr. Und zu einem guten Redner, damit ihm geglaubt wird, gehört freilich, dass er meint was er sagt. Genau das lässt mich Obamas Reden mit Faszination zuhören und das Gelaber unserer Politkaste nach den ersten drei Worten wegzappen – probiert garnicht erst, zu versuchen Obama nachzumachen, ihr macht euch nur lächerlich: wer keine Ideale mehr kennt außer das des eigenen Vorteils und andere Menschen nur als Mittel zum Zweck wird diese nicht erreichen. Obama hat sie erreicht, weil er sie wirklich meinte. Das kapiert ihr nicht.)
Nein, Obama ist kein „Kommunist“, nichtmal „links“, das ist so lächerlich wie zu behaupten, er sei ein Außerirdischer. Auch seine Wähler nicht. Aber genau das finde ich spannend: dass eine Mehrheit in Amerika erkannt hat, dass, wenn jeder so lebt als sei er alleine auf der Welt, am Ende jeder auf der Strecke bleibt und dass zu einem funktionierenden Gemeinwohl, zu einer funktionierenden Gesellschaft gehört, auch den anderen mitzunehmen. Und beweist damit, dass Ideale nicht von Ideologien abhängig sind. Auch wenn Ideologien das gerne von sich behaupten, um sie für ihre Zwecke zu vereinnahmen bis hin zum Missbrauch. Oder der gegnerischen Ideologie zuzuweisen und damit zu diffamieren. Dabei haben Ideale keinen Widerpart, kein „Gegenteil“ kein „entweder – oder“, sondern sind einfach, ganz für sich. Im Gegensatz eben zu Ideologien. Ich bin in dem Punkt ziemlich einer Meinung mit Jens.
Keine Ahnung, ob aus dieser Erkenntnis und diesem Ideal auch irgendwas Reales erwächst in den nächsten Jahren. Aber nie hatten die Amis eine größere Chance dazu. Und in Zeiten, in denen hierzulande die Bedeutung des Wortes „Solidargemeinschaft“ sogar den Wortführern der SPD völlig entfallen ist und auch von dieser zu einem Menschen zweiter Klasse deklariert wird wird, wer in die Verlegenheit kommt, diese zu benötigen (da steckt das Wort „Not“ drin), diffamiert und bestenfalls zu einer Last, schlimmstenfalls zu Ungeziefer erklärt und seines Mensch-Seins beraubt, stehen ausgerechnet die Menschen des Landes, das bislang leuchtendes Vorbild für ebendiese Haltung war, auf und sagen vernehmlich, dass sie das nicht mehr wollen.
Und das Ganze mit einer fühlbaren Emotionalität, die freilich jeden Berufszyniker und Misanthropen abstößt, aber wie ich oben schon meinte: Emotion ist der Motor, der etwas bewegt. Die Vernunft darf lenken, ja, muss, natürlich, sonst kommt man nicht dort an, wo man hinwill. Vom Lenken ohne Fahren allerdings eben auch nicht. Freilich, wer fährt lebt „gefährlicher“ als wer einfach stehen bleibt. Der Motor „Angst“ ist eben kein Motor – sondern die blockierte Bremse, die eigentlich „Umsicht“ heißt und die Fahrt unterstützen und nicht verhindern sollte.
Noch ein Wort zu Idealen: Nein, ein Ideal ist nicht dazu da, es zu 100% zu erreichen (genauer: würde ein Ideal erreichbar sein, es wäre kein Ideal, denn das macht ein Ideal ja aus) – es ist ein Wegweiser, ein Leitstern: wenn ich dem Nordstern folge komme ich nach Norden, und damit dahin, wo ich hin will. Aber natürlich nicht auf den Stern. Sprüche wie „das schafft der nie, das ist doch reiner Idealismus, bestenfalls naiv“ usw. usf. bedeuten deshalb nur eines: wer die bringt hat keine Ahnung, was ein Ideal ist und wozu es gebraucht wird. Es wird Zeit, dass auch hierzulande mehr Menschen um die Natur – und damit die Kraft und Möglichkeiten – von Idealen zu wissen lernen.
Idealerweise alle.
Couldn’t we, for a change?