An „Die Jugend“ Nein: An „eine ganz bestimmte Jugend“

„Kochs Kriegserklärung an die Jugend“ titelt SPON und schreibt an und für sich ganz richtig:

[…] Denn die Forderung läuft auf eine Untat hinaus: Nachdem die Bundesregierung die jungen Deutschen unter einem Schuldenberg begraben hat, will Koch nun auch noch die Schaufeln beschlagnahmen. Stärkere Anstrengungen in Bildung und Forschung sind nämlich der einzige Weg, wie die jungen Deutschen überhaupt befähigt werden, die alten und neuen Schulden zurückzuzahlen, die nötige technologische Erneuerung zu stemmen und tragfähigen Wohlstand zu generieren, der nicht auf faulen Krediten gründet.
[…]
Stehen nicht ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung, wird es kaum möglich sein, die große Zahl von Migrantenkindern rechtzeitig mit der deutschen Sprache und modernem Lernen vertraut zu machen. Dann müssen die Unternehmen mit Mitarbeitern auskommen, die selbst Gebrauchsanleitungen nicht verstehen. […]. Gibt es nicht genug Geld für die Hochschulen, fehlen Deutschland in Zukunft die Ingenieure, Naturwissenschaftler und Denker, die es als hochentwickeltes Land braucht. […] Kochs Plan würde zu einem kulturellen und ökonomischen Siechtum führen.

Um zum Schluss zu kommen:

Die Forderung, ausgerechnet bei Bildung und Forschung zu sparen, kommt einer Kriegserklärung an die Jugend und an die Zukunft des Landes sehr nahe. Besser auf die Spitze treiben lässt sich der Gegenwartsegoismus nicht.

Und da sage ich: hey, fast richtig. Eine Kleinigkeit habt ihr aber übersehen: hier geht es nicht um „die Jugend“ und deren Chancen. Geschweige denn um die Chancen dieses Landes oder dessen Zukunft. Oder die Wirtschaft.

Es ist nicht „die“ Jugend, an die diese Kriegserklärung geht, sondern ein bestimmter Teil der Jugend: die Ausländer, die HartzIV-Verliererkinder, die Nichts-Haber-Kinder, die Arbeiterkinder, die Nicht-Akademiker-als-Eltern-habe-Kinder – Kurz alle, die den Blagen der eigenen immer kleiner werdenden aber nach wie vor über das Geld und die Mittel verfügenden Klientel „gutbürgerlich“ auf dem immer kleiner werdenden Arbeitsmarkt gut bezahlter Jobs in der Zukunft zur Konkurrenz würden, ließe man ihnen eine Chance auf gute Bildung und Entwicklung.

Es geht einer (Möchtegern-)Elite ausschließlich darum: dem eigenen Nachwuchs Konkurrenz vom Hals halten.

Der Konkurrenzkampf – und letztlich der Überlebenskampf – der Wenigen gegen die Vielen hat schon lange begonnen. Man kann Koch viel nachsagen. Und auch viel – oder besser: wenig von ihm halten. Aber diese Forderungen sind nicht so kurzsichtig wie sie aussehen. Im Gegenteil: sie sind perfide konsequent und durchdacht, wenn man sie aus der Warte eines Wunsches nach Macht- und Pfründeerhalt sieht. Wirtschaft? Land? Volk? Zukunft aller? Gemeinwohl? Alles Quatsch, alles nicht Thema, hier kämpft eine kleine Elite den sozialdarwinistischen Kampf um die Futtertröge, den eigenen Kindern das meiste, die anderen sollen sehen wo sie bleiben.

Da sind Humanismus, Aufklärung, Ideale grade schöne Worte, die man sich aber grade nicht leisten kann, denn hier geht es um den puren Egoismus einer sich zum neuen Adel eingesetzten Klasse, die jetzt den neuen Feudalismus mit allen Mitteln durchsetzt, denn nichts anderes ist diese Strategie, über Beschränkung des Zuganges zu Bildung die „guten Jobs“ und Machtposten faktisch als eine Form von Erbnachfolge zu etablieren und „niedrig geborene“ davon auszuschließen.

Und genau deshalb ist Koch letztlich nur der der die Forderungen ausspricht – es besteht schon längst Einigkeit diese Form des Klassenkampfes von oben nach unten durchzuführen. Genau genommen stecken wir schon seit Jahren mitten drin. Vielleicht sogar schon so lange, dass man sagen muss, dass die sogenannten „bildungsfernen“ – besser wäre „von der Bildung entfernten“ – Schichten den Kampf schon lange verloren haben.


6 Gedanken zu „An „Die Jugend“ Nein: An „eine ganz bestimmte Jugend“

  1. Sehr schön in den größeren Kontext gestellt.
    Aber im Grunde ist eine solche Politik kurzsichtig, das sollte doch auch konservativen Bürgerlichen wie Koch einleuchten: ein Land wie die Bundesrepublik kann es sich gar nicht leisten, irgendjemand von Bildung auszuschließen. Andererseits: Kurzsichtigkeit wäre ja nix neues. Lieber auf den kurzfristigen Vorteil der eigenen Klasse gucken als auf das große Ganze.

  2. Natürlich wäre das, wenn man das Wohl des ganzen Landes / Gesellschaft / Zukunft / alles im Blick hätte, mehr als kurzsichtig Persönlich sehe ich einen solchen Egoismus im Amt eines „Volksvertreters“ durchzuziehen schon fast als kriminell an. Aber das hat solche Leute ja schon die letzten 30 Jahre nie gestört…

  3. ach sven – der gute alte klassenkampf geht halt heute nicht mehr über religiöse- adels- oder kapital-klassen, sondern die bildungselite wird mit wohlwollen in die klasse „der da oben“ aufgenommen. aber man muss es dem gesocks ja nicht so leicht machen, aufzusteigen, das führt nur zu verwirrung und hippies und grünen und sowas.

    man könnte meinen, die konservativen des neuen jahrtausends haben erkannt, das bildung eine potentielle gefahr für den statuserhalt ist. hat ja nach den studentenrevolutionen des vorletzten jahrhunderts und marx und so auch nur grob ein jahrhundert gedauert.

    unsere konservativen sind halt schnellmerker. man musste denen das erstmal übersetzen, aber seit dem wort „humankapital“ haben das sogar die gerafft.

  4. Drei Ergänzungen:
    1.) Der Spon-Artikel hat in sofern nicht unrecht, da „die Jugend“ sich u.a. dadurch auszeichnet, dass sie nicht wählen darf und dass sie in den letzten Jahren immer stärker Opfer von Verboten wurde (z.B. Solariumverbot). „Die Jugend“ ist DIE Zielgruppe für politischen Aktionismus.
    2.) Es geht nicht um „sozial benachteiligte Kinder“ vs. „gut bürgerliche Kinder“. Die Mittelschicht ist die Konkurrenz für die Elite. Die Wahrheit ist leider: Es geht um Mittelschichtskinder vs. (Möchtegern-)Elite-Kinder (vgl. Gymnasium vs. Privatschule). Für die sozial Benachteiligten interessiert sich schon lange niemand mehr.
    3.) Dieser „größere Kontext“ (Kommentar von Tobias Haase) lässt sich leider auch in anderen Themen finden: z.B. dort wo eine kleine, aber einflussreiche Elite gerade im Hintergrund versucht, massive Zensurmaßnahmen einzuführen. Zensursula war da nur der Anfang, das dicke Ende kommt erst noch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert