Ja, die Grünen sind konservativer als ich es mir wünschen würde. Nein, sie machen nicht alles „richtig“ in meinen Augen.
Und wenn man nur die heute üblichen kleinen Soundbits und „knackigen Verkürzungen“ nimmt, wirds oft schwierig damit, sich für sie auszusprechen, weil sichs zu oft „nur“ nach „das kleinste Übel von allen“ anfühlt.
Aber es gibt auch Gelegenheiten, abseits vom oberflächlichen TikTok-Format.
Ich weiß jedenfalls, wen ich mit deutlich weniger Bauchschmerz als ich gedacht hätte wähle.
Und was ich am meisten an dem Gespräch genossen habe und gar nicht wusste, wie sehr ich sowas vermisst habe im aktuellen medialen Brüllaffenhaus nach TikTok-Snip-Polarisierungs-Logik: dass sich da zwei Menschen einfach mal über Zeug unterhalten und nicht ausschließlich absolut-polare Muster auf alles aufzwingen, weil nur sowas „Drama“ schaffe.
Einfach Dinge mal aus eigener Perspektive beleuchten, ohne den Anspruch, dass eine Perspektive 100% „richtig“ und die andere absolut falsch zu sein hat. Menschen, die sich unterhalten, ohne den medialen Druck, „Streiten“ zu müssen.
Und ja, ich hör schon manche: „1,5h? Wer soll sich das denn anhören?“
Es geht um eine Wahl, die die nächsten 4 Jahre bestimmt.
Die darüber entscheidet, ob wir zurück in die 50ger oder gar die 30ger gehen, ob wir den oberen 10% erlauben, die Arbeitnehmerrechte, die in den letzten 50 Jahren hart erkämpft wurden, wieder abschaffen lassen oder behalten (in dem Punkt bin dann nämlich ich „konservativ“ im Gegensatz zu denen, die sich selbst so nennen), Klimawandel und Umverteilung nach oben toll finden und verstärken oder als echtes Problem für eine lebenswerte Zukunft erkennen und angehen und vieles mehr.
Sollten alle mal genau überlegen, wenn sie die Vorschläge von Union, FDP und AFD ansehen, die alle den Sozialstaat schreddern, Arbeitnehmer*innenrechte abbauen und Abbau von Rechten und Sicherheiten an Arbeitsplätzen, im Supermarkt und eigentlich überall im Alltag als „Entbürokratisierung“ framen, was es nicht ist, denn hier gehts schlicht um Deregulierung, und wohin sowas führt haben wir 2008 erlebt:
Was ist wahrscheinlicher? Dass ich in ein paar Jahren Millionär bin oder dass ich oder jemand meines Umfeldes arbeitslos, arbeitsunfähig, Pflegefall, länger krank oder was weiß ich was wird,
was schnell bedeutet, von Sozialleistungen, Pflege- und/oder ärztlichen Leistungen abhängig zu werden und sehr schnell zu merken, dass dieses „Netz“ sowieso schon riesige Löcher hat und beileibe keine Hängematte ist, wie AFD, CDU, FDP und gar Teile der SPD den Leuten, die (noch) das Glück haben, nicht drauf angewiesen zu sein, weis zu machen versuchen, nur um die Löcher noch größer reißen zu können?
Mir wurde im Zuge der Insolvenz meiner Firma nach fast 18 Jahren gekündigt. Wegen Insolvenz mit 3 Monaten Kündigungsfrist und ohne Abfindungsangebot. Die drei Monate die Zeit über Weihnachten und Neujahr einschließend, in der bewerbungstechnisch tote Hose ist. Und ich bin nicht der einzige Betroffene, wir waren vor 2 Jahren noch rund 80, wenn rund 40 den Verkauf an eine andere Firma „überleben“ sinds viel.
Ein guter Freund hatte nach einer schwierigen OP ein Blutgerinsel im Kopf (vulgo „Schlaganfall“) und hat das nur knapp überlebt. Kämpft sich seit 1 Jahr aus den Folgen heraus und wird noch mindestens genauso lange, wenn nicht länger, damit beschäftigt sein. Wie kaputt das Gesundheitswesen und wie löchrig die Sozialsysteme sind, kann ich dort live und in Farbe betrachten, er kann froh sein, dass er ein starkes Unterstützersystem durch Familie und Freunde hat, wer sowas nicht hat wäre schlicht am Arsch.
Soweit zur Frage „Was ist wahrscheinlicher, Millionär oder Betroffener“.
Selbst wenn man nicht das geringste mit Moral oder Ethik oder Idealen am Hut hat (was für viele – mich eingeschlossen – ja dazu kommt, über das ich aber hier diesmal garnicht groß schreibe, weil ich das über die letzten 20 Jahre Blog zur Genüge tat) und rein den Eigennutz vor Augen bei der Wahlentscheidung:
Niemand, der nicht ein paar Millionen auf der Kante hat, kann sich eine AFD, CDU oder FDP als Lebensrisikofaktor leisten.
Jedenfalls: Für die Entscheidung, wie die nächsten 4 Jahre laufen sollen mal 1,5h am Stück zu investieren ist da IMO (zu) wenig genug.
Nachtrag 30.01.2025:
Das Datum sagts, es ist einen Tag nachdem Merz, die komplette CDU/CSU (bis auf eine aufrechte Frau) und FDP den von Papen machten und eine parlamentarische Mehrheit für einen grundgesetz- und EU-widrigen rassistischen Antrag mit Hilfe der blauen Nazis durchgeboxt hat.
Ohne Not, denn der Antrag ist nicht einmal bindend und kann von aktueller wie künftiger Regierung einfach ignoriert werden. Für sowas verraten Union und FDP also auf Bundesebene den Konsens, dass man sich nicht abhängig von Nazi-Stimmen macht.
Überrascht von Fritz von Papen Merz und allen Unions-MdBs außer einer (und FDP, aber hey)?
Nein.
Wer testosterontrunkene fragile Narzissten kennt kann nicht überrascht sein, dass sie’s tatsächlich durchgezogen haben.
Ich hab die 80ger und 90ger bewusst politisch erlebt, aus dieser Zeit stammt dieser alte weiße Mann und so aus der Zeit gefallen sind die patriarchal geprägten Egos dieser Politiker-Generation.
Was mich überrascht: dass ich diese Menschen noch mehr verachten kann als ich es eh schon tat. Wusste nicht, dass das geht.
Jedenfalls, was ich sagen wollte: es ist glaub ich offensichtlich, dass ich diesmal grün wählen werde. Das ist meine Entscheidung „für“, das ist nicht (nur) „gegen“.
Wo „Gegen“ gilt, selbstverständlich: Nazis und alle, die mit ihnen kuscheln, also Union, FDP und BSW (ja, auch eine geschlossene Enthaltung zugunsten von Nazis ist zuarbeiten). Die haben selbst jede demokratische Wertegemeinschaft verlassen und sind eben damit auch raus.
Mir ist egal, ob ihr Grün, SPD oder Linke wählt. Hauptsache einen dieser drei.
Als ehemaliges Piratenparteimitglied muss ich leider sagen: diesmal wäre es IMO nicht klug, eine sichere unter 5% Partei zu wählen, das können wir uns _diesmal_ (noch) nicht leisten. Auf Bundesebene jedenfalls noch nicht. Das macht erst Sinn, wenn die auf regionalen und Landesebenen ausgebaut sind.
Welchen dieser drei? Die Partei, die am deutlichsten eure Prios bedient. Das tut keine so richtig? Stimmt, das ist aber normal.
Bei mir erfüllen die Grünen ungefähr 60-70% meiner Wünsche und Vorstellungen, die Linke 50% und die SPD 30%. Also nehm‘ ich die 60%. Denn wenn ich die nicht nähme, dann hätte ich 0%.
Ist eigentlich ganz einfach. Ich nehme das für mich passendste aus der angebotenen Auswahl, habe das dann und schaue von dort aus dann im Weiteren, woher ich das, was mir noch fehlt, bekommen kann. Kompromisslose „Alles oder Nichts“-Mentalität führt zu „Nichts“.
Die einzige Kompromisslosigkeit besteht in der Frage: steht die Partei, die ich wählen will, auf dem Boden des Grundgesetzes, der Menschenrechte und der geschichtlichen Verantwortung dafür, dass sich ein Drittes Reich nie wieder wiederholen darf?
Ein Gedanke zu „Gedanken zur Wahl. Mal wieder.“