Leute erzählen mir, sie wüssten nicht, was sie wählen sollen, weil die Unterschiede speziell zwischen den sogenannten „etablierten“ Parteien nur noch kaum wahrnehmbare Nuancen seien. Dann lese ich hier und da, dass Leute ihre Wahlentscheidung tatsächlich an solchen Nuancen festmachen: 99% eines Programmes wird ignoriert, man hängt sich an einem kleinen Punkt auf und bläst ihn bis zu einem „unwählbar“ auf. Manchmal nicht einmal an einen Punkt im Wahlprogramm selbst sondern eine Äußerung irgendeiner Einzelperson, die zufällig einen Mitgliedsausweis irgendeiner Partei hat.
Selten, so scheint es, war es schwieriger, aus einem Wust von Klein- und Kleinstinformationen und minimalen Unterschieden eine Entscheidung zu treffen, wen oder was man unterstützen oder ablehnen möchte.
Wenn angesichts eines Haufens echter Probleme, Herausforderungen und Entscheidungen für eine Gesellschaft, in der wir in Zukunft gern leben würden, Stinkefinger, Halsketten, „Veggie-Days“ und Frisuren von den Medien zu Wahlkampfthemen gehypet werden, während die wirklichen Probleme Intransparenz, Lobbyismus und Korruption, Überwachungsstaat, Sozialabbau und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, Energiewende, Entdemokratisierung mit Hilfe der „Eurokrise“, Kriege und deren humanitäre Herausforderungen, in den Medien als Wahlkampfthemen entweder gar nicht auftauchen oder nur am Rande und manche Themen inzwischen fast nur noch in den Feuilletons behandelt werden, weil offenbar das der letzte Ort ist, an dem sich Intellektuelle noch halbwegs unzensiert äußern können, so dass dort an manchen Tagen das genaue Gegenteil von dem steht, was im Rest eines Blattes als Leitlinie zu finden ist (Bei der FAZ fällt mir das regelmäßig auf. Offenbar denkt man sich in den Verlagen „das liest ja eh keiner“ – oder es liest dort eh keiner), dann konstatiere ich auch ein Medienversagen, das umso schwerer wiegt, weil es ja genug Themen gäbe.
Letztens fragte ein Tagesschau-Artikel, warum „die Piraten aus den Medien verschwunden seien?“ – mal davon abgesehen, dass es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass eine solche Frage von Medienseite kommt, denn die sollten das ja am besten wissen, sind sie es doch, die selbst entscheiden, worüber sie (nicht) berichten, denn an Input mangelt es ja nicht, wäre meine Antwort da drauf: Die Piraten machen keine Personality-Shows sondern benennen und behandeln Themen. Wenn die Medien die Themen nicht behandeln (Selbst wenn sie sich selbst sehr real bedroht fühlen sollten), werden automatisch auch die, die sich mit diesen Themen befassen, ignoriert.
Jedenfalls will ich mal hier beschreiben, wie ich das mache mit diesem „Entscheiden“, vielleicht ist das ja auch ein Modell für manche, die derzeit noch unsicher sind, nach welchen Kriterien sie ihre Wahlentscheidung treffen könnten. Klar, jeder, der mich kennt, weiß, dass ich Piraten wählen werde, aber das Folgende hat damit nichts zu tun, außer, freilich, dass mich diese Kriterien eben zu den Piraten führten, was aber keine Zwangsläufigkeit sein muss.
Ich denke, je nach Gewichtung, Vertrauen darin, dass eine Partei das, was sie programmatisch vorhat, auch wirklich tut und nicht für eine Machtoption gleich wieder über Bord wirft und speziell auch bezüglich der Erststimme, wen man im Wahlkreis als Kandidat_in hat, denn da zählt für mich tatsächlich eher die Person als die Parteizugehörigkeit, kann da jede(r) auch auf ein anderes Ergebnis kommen.
Bevor ich entscheide, wen ich wählen kann überlege ich mir, welche Kriterien eine Wahl wirklich ausschließen. Und zwar zunächst so grundsätzlich wie möglich, denn warum sollte ich mir noch Gedanken um kleine Details und Partikularinteressen machen, wenn sich herausstellt, dass sich eine Wahlalternative schon global für mich disqualifiziert hat?
Ich gleiche also Worte (Programm) und Taten (Gesetzgebung, offizielle Verlautbarungen, parlamentarische und außerparlamentarische Anträge, etc.) als erstes einmal mit den Werten ab, die ich als nicht verhandelbare Grundlage für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ansehe und deshalb mein erster „Wahlprüfstein“ sind: den Menschenrechten, wie sie in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert sind, von diesem Staat hier anerkannt wurden und zum größten Teil auch in die Verfassung/das Grundgesetz dieses Staates Eingang gefunden haben, auf deren Schutz und Verteidigung Amtsträger dieses Staates einen Eid ablegen.
OK, fangen wir an, Priorisierung subjektiv nach meiner persönlichen Gewichtung:
Sozialsystem
Ein für mich unerträglicher Zustand ist das Sozialsystem, wie es Anfang der 2000er Jahre nach neoliberaler Agenda umgebaut wurde und seither alles pervertiert, das ich im Gemeinschaftskundeunterricht meiner Schulzeit über das, was ein „Sozialstaat“ und „soziale Marktwirtschaft“ sein wollte und sollte, gelernt habe. Und das Konzept „soziale Marktwirtschaft“, also ein Wirtschaftssystem, das der Politik die Aufgabe stellt, dafür zu sorgen, dass (kapitalistische) Wirtschaft, die ihrer Natur gemäß auf den Eigennutz zu achten hat, diesem Eigennutz Regeln und Grenzen zu setzen, die dafür sorgen, dass dieser Eigennutz nicht das Gemeinwohl schmälert. „Wirtschaftskonforme Demokratie“, die sich hauptsächlich um eben den Eigennutz der Wirtschaft kümmert, um den diese sich ja auch schon kümmert, ist deshalb IMO ein Widerspruch in sich.
Aus dem Bürger, der einen rechtmäßigen Anspruch anmeldet, wurde über die letzte 1-2 Jahrzehnte ein Bittsteller gemacht, der unter dem Generalverdacht „Sozialschmarotzer“ gestellt seine komplette Würde und Privatsphäre abzugeben hat und sich einem System der Willkür, der Angst, der ständigen existenziellen Bedrohung und der Entmachtung zu unterwerfen hat.
Ich kenne zu viele Menschen, die sich in diesem System befinden und darunter leiden. Ich kenne keinen Menschen, der dem kolportierten Bild des „Sozialschmarotzers“ entspräche. Selbst wenn es eine Hand voll solcher Leute gibt, kann es nicht sein, dass ein marginaler Prozentsatz von Menschen das Bild der überwiegenden Mehrheit bestimmen und zur Rechtfertigung für einen Generalverdacht bzw. gar für die Behandlung aller Betroffenen, als gehörten sie erwiesenermaßen zu dieser Ausnahmeerscheinung, herangezogen wird.
Hier sehe ich nicht nur allgemein die Menschenwürde (Art.1) verletzt, sondern auch den Grundsatz in Art.2, dass niemandem aufgrund „[…] sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand […]“ irgendwelche Grundrechte verwehrt werden dürfen. Die verwehrten Rechte sehe ich in Art.7, wenn Menschen, die eindeutig Anspruchsberechtigt sind, seitens Politikern und Medien pauschal „Sozialschmarotzertum“ unterstellt wird, Art.12, wenn ich sehe, wie nackig man sich gegenüber dem Amt machen muss und wie die Betroffenen sich kontrollieren lassen müssen, Art.22 und 25, wenn Sanktionen Bezüge unter das Existenzminimum drücken können, Art.23, wenn Menschen zu 1-Euro-Jobs gezwungen werden und weil das gesamte System darauf ausgelegt ist, Leiharbeit und Billiglöhne durchzusetzen, die reguläre Löhne unterminieren und Arbeitsplätze „schaffen“, die geringer entlohnt werden als vergleichbare „reguläre, und schließlich Art. 28, denn die Umsetzung der Agenda 2010 nimmt Betroffenen ebenjene Rechte, so wie ich sie verstehe und deshalb grade aufführte.
Somit schließt sich für mich jede Partei, die das von der Rot-Grünen Koalition mit der Agenda 2010 eingeführte neue „Sozialsystem“ nicht als Fehler ansehen sondern sogar, gern unter der Floskel „alternativlos“, verteidigen, schon mal aus. Und erst recht jede Partei, die diesen Umbau des ehemaligen Sozialstaates aktiv unterstützt und in diesem Sinne weiter ausbauen möchte.
Dieses System ist nämlich nicht „alternativlos“. Wer das behauptet, versteckt seinen politischen Willen hinter dieser Floskel. Es gibt hunderte Alternativmodelle. Und es gibt Parteien, die solche alternativen Modelle bevorzugen und damit zeigen, dass mit einem anderen politischen Willen es auch plötzlich doch Alternativen gibt. Das muss nicht ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ sein (das ich aus verschiedenen Gründen dennoch präferiere). Kann es eben aber auch sein. „Alternativlos“ gibt es nicht, wer damit argumentiert beschreibt einen politischen Willen, den ich niemals wählen werde.
Gesundheit
Die Ausgestaltung eines Gesundheitssystems ist eine Frage des politischen Willens. Wenn es eine Zwei – Nein, realistisch eine Drei-Klassen-Gesellschaft in Deutschland gibt, nämlich „Nichtversichert“, „gesetzlich versichert“ und „privat versichert“, und die Unterschiede zwischen den Behandlungsstandards, Wartezeiten, Methoden, Leistungen, einen großen Teil der Menschen in einem Land, das sich „reiche Industrienation“ nennt, nicht nur teils unwürdig behandelt sondern sogar den Zugang zu moderner medizinischer Versorgung direkt oder indirekt (durch entsprechende „Bezahlschranken“ z.B.) verwehrt, dann ist das IMO nicht mit Art. 25 vereinbar, denn der angesprochene Lebensstandard ist natürlich der, der in einem Land als Minimum möglich sein sollte, und dass für viele dieses Minimum unter den Möglichkeiten eines modernen reichen Landes liegt, zeigt auch hier kein „nicht können“ sondern ein „nicht wollen“, denn auch hier gibt es andere, teils im Vergleich durchaus „ärmere“, Länder, in denen das, was hier angeblich „nicht geht“ sehr wohl geht.
Wenn also ein reiches Land einen Teil seiner Bevölkerung medizinisch unterversorgt und dagegen nicht nur nichts tut sondern das sogar im Laufe der Jahre verstärkt, dann unterstelle ich Willen. Und ziehe auch hier meine Konsequenzen.
Anlasslose Überwachung bis hin zum Überwachungsstaat
Warum ich in der vollständigen Überwachung aller Bürger ohne vorherigen konkreten Verdacht keine Lappalie sehe habe ich hier in diesem Artikel ja schon ausführlich beschrieben, weshalb ich hier dazu nicht mehr ins Detail gehe, der Artikel wird eh schon lang genug. Die Aufhebung fundamentaler rechtsstaatlicher Prinzipien verletzen jedenfalls in meinen Augen eindeutig die Art.11 (Unschuldsvermutung), Art.12 (Privatsphäre) und Art.10 (Transparente Verfahren) und in Folge daraus werden auch die Art. 5,6,7,8,9 und 10 berührt. Parteien, die Vorratsdatenspeicherung, das BDA-Gesetz und ähnliche Gesetze unterstützen oder nicht verhindern, obwohl sie es könnten, fallen also unter dieses Ausschlusskriterium.
Was ist eine Familie?
In Art.16 wird „Familie“ und Heirat thematisiert. Gerade in Verbindung mit anderen Artikeln sehe ich hier explizit nicht, dass mit Familie ausschließlich „Mann und Frau“ gemeint ist sondern eine solche auch Mann und Mann oder Frau und Frau sein kein. Ich sehe dort nicht einmal zwingend eine Zweierbeziehung „vorgeschrieben“. Was ich sehe ist, dass selbstgewählte formelle zwischenmenschliche Partnerschaftlichkeit jeglicher Art, solange sie auf allen Seiten freiwillig und gewünscht ist, als „kleinstes“ gesellschaftliches Element, das über das einzelne Individuum hinausgeht, geschützt wird und anzuerkennen ist. Somit ist für mich die Haltung der Parteien zu „Homoehe“, und in Folge daraus auch Adoptionsrechte, Erziehungsrechte etc. pp., denn wenn zwischenmenschliche Partnerschaften als solche anerkannt und gegenüber Staat und Behörden sogar auf menschenrechtlicher Ebene schützenswert sind, kann es nicht Partnerschaften erster und zweiter Klasse geben (vgl. Art.2, der unterschiedliche Behandlungen oder Privilegierungen gegenüber anderen Menschen aus welchen Gründen auch immer ausschließt und so alle Menschen gegenüber den nachfolgenden Ansprüchen zu „Menschen“ macht), ebenfalls auf einer sehr hohen Ebene angesetzt. Wenn sich eine Kanzlerin mit so einer Gleichbehandlung „schwer tut“, tu ich mir mit so einer Kanzlerin schwer.
Zu diesem Thema gehört IMO auch die Frage nach Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, die Menschen ermöglichen, ihr Leben (und das Leben ihrer Kinder) so zu gestalten, dass existenzielle Sicherheit (z.B. auch durch die Möglichkeit, Erwerbsarbeit nachzugehen) und Teilhabe an sozialem Leben, Bildung und Kultur gewährleistet sind. Wmit wir beim nächsten Punkt sind:
Bildung
Teilhabe an neutraler, unideologisierter Bildung geht für mich einher mit Teilhabe an Kultur und Wissen. Art. 26 mag im ersten Moment die Möglichkeit, Bildung von Herkunft und Finanzen abhängiger zu gestalten, wenn 26.1 besagt, dass es „zum mindesten“ um Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung ginge. „Zum Mindesten“ aber heißt für mich: wo und wenn immer möglich darüber hinausgehend. In einem reichen Land wie der Bundesrepublik sehe ich keinen Grund, dieses „darüber hinaus“ nicht deutlich auszuweiten, zumal das auch im Sinne vom folgenden Art. 27 ist (und auch andere hier und da streift). Weil wir es können. Wenn wir nur wollen.
Das heißt: keine Studiengebühren, keine Beschränkungen zum Schulzugang eigener Wahl, Förderung von Bildung unabhängig zu Herkunft, sozialem Stand und Finanzen und Herstellung von Chancengleichheit für diesen freien Zugang durch Fördermaßnahmen, die Unterschiede in individuellen Behinderungen zu solchem Zugang ausgleichen. In kaum einem Land ist der Zugang zu Bildung und Wissen für Kinder aber auch Erwachsene so abhängig von sozialer Herkunft und Vermögen der Eltern wie in der Bundesrepublik Deutschland. Dass das so ist liegt nicht daran, dass es „nicht anders geht“, es gibt genug Beispiele, die das Gegenteil belegen. Es ist also politischer Wille. Und weil es politischer Wille und politische Entscheidungen sind, ist dieser Punkt für mich ebenfalls ein Kriterium für die Wahl: Wer an Zugangsschranken und Gatekeeping zu bestimmten Bildungsmöglichkeiten festhält, fällt hier durch.
Diesen Punkt am Rande berühren auch Themen wie Patent-, Marken und bestimmte Fälle von Urheberrechten (Genpatente und ähnliche Verwirtschaftlichung und damit künstliche Verknappung und Teilhabeeinschränkung von Wissen in Medizin, Wissenschaft und Kultur).
Asylrecht
Artikel 14 gewährt Asylrecht. Da steht nichts vom Wegfall dieses Rechts bei Reise durch „sichere Drittstaaten“ o.ä., und in Zusammenhang mit fast allen anderen Artikeln fallen auch Sammellager, Residenzpflicht, Leben unter dem Existenzminimum, Arbeitsverbot, „Essenspakete„, Behandlung wie Kriminelle inklusive Gefängnis, Trennung von Familien und vieles mehr weg, das in unserem menschenunwürdigen Asylrecht, das sich die Kohlsche Regierung von Rechtsradikalen hat diktieren lassen und von keiner Nachfolgeregierung wieder korrigiert wurde, Gang und Gäbe ist. Das Asylrecht in Deutschland ist für mich ein Gradmesser, wie xenophob Parteien und diese Gesellschaft wirklich sind, und erklärt mir viele andere Probleme, die diese Gesellschaft auch mit „normalen“ Ausländern und fremden Kulturen allgemein hat.
OK, bleibt nicht mehr viel übrig, aber dennoch mehr als eine Partei. Und jetzt?
Nachdem jetzt über das Ausschlussprinzip gefiltert ist, geht es um die Frage „was will ich?“ – Auch hier vom Großen ins Kleine. Welche Partei unterstützt nun explizit welche obigen Punkte und womit? Jetzt ist es Zeit, einen Blick in die Programme zu werfen sowie einen Blick in die Gesetze und Entscheidungen, die Parteien in der letzten Zeit, sagen wir 10-15 Jahre, so verabschiedet und getroffen haben. Letzteres ist leider nötig, weil viele Parteien erfahrungsgemäß gern mal was in ihr Programm schreiben, aber sich daran nur solange gebunden zu fühlen scheinen, solange sie in der Opposition sitzen.
Also: Wo stehen die Parteien programmatisch, wenn es um Menschenwürde geht, um soziale Fragen, Gesundheitssystem, um Überwachung, um Familienpolitik, Bildung, Asyl und Fragen von Toleranz und Pluralismus? Wird getrennt, ausgeschlossen, viel Energie drauf verwandt, „Ausnahmen“ von der Regel zu formulieren und zu rechtfertigen bis dahin, dass vor lauter Ausnahmen die Regel kaum mehr anwendbar ist?
Gibt es denn noch mehr Kriterien?
Natürlich. Ich habe ganz am Anfang ja schon einige angesprochen. Die sind aber jetzt tatsächlich „individuell“, also der persönlichen Priorität geschuldet.
Bei mir sind das dann über obige Punkte hinausgehend mit hoher Priorität: Energiekonzept, Dezentralisierung durch Förderung von Genossenschaftsmodellen und „Bürgernetzen“, Ablehnung von und Korrektur erfolgter Privatisierungen, wo sich zeigt, dass sie nicht dem Gemeinwohl dienen bzw. diesem sogar entgegenstehen, Beispiel Wasser, ökologische Themen wie Atomausstieg, Ablehnung von Fracking, Förderung umweltschonender und -erhaltender Landwirtschaft, wozu auch eine Ablehnung von Gentechnik in Lebensmitteln gehört und auch die Umsetzung solcher Prinzipien in der Außenpolitik (wir können nicht aus der Atomenergie aussteigen und gleichzeitig den Bau von AKWs im Ausland fördern, z.B.), Rüstung und Militär, also Fragen zu Drohnen, Rüstungsexporten und zur Beteiligung an Kriegseinsätzen (ich bin da absoluter Pazifist und der Meinung, dass Konflikte über den Weg der Diplomatie zu lösen sind und nicht durch Angriffskriege – Bomben und Zerstörung lösen keine Probleme).
Weiterhin bin ich ein großer Fan der Idee eines geeinten Europas, und zwar eines Europas der und für die Menschen und nicht (nur) der Wirtschaft. Was mit den Menschen in einer EU, die durch nationale Egoismen behindert und teilweise sogar pervertiert wird und entdemokratisiert wird, passiert kann man derzeit in einigen EU-Staaten erleben.
Die Regierungen der Nationalstaaten, auch unsere, nutzen die EU fast nur noch dazu, über Bande Gesetze einzuführen (von Überwachung bis dreistesten Wirtschaftslobbyismus), die sie sich national nicht trauen, weil es auffallen würde, um dann im nationalen Rahmen unter Krokodilstränen zu „bedauern“, dass man da etwas umsetzen „müsse“, weil es die EU „leider“ vorschreibe – nachdem eben dieselben Pareien genau das in der EU durchgesetzt haben. Man nimmt bewusst in Kauf, die EU in Misskredit zu bringen, um Dinge durchzusetzen, deren Durchsetzung auf nationaler Ebene man zwar möchte, aber ohne, dass die Bevölkerung merkt, wer da wirklich dafür verantwortlich ist.
Als rein persönliches „Partikularinteresse“ sehe ich eine Notwendigkeit in einer Reform des Urheberrechtes bzw. genauer, der Verwertungsrechte, die derzeit in einem deutlichen Ungleichgewicht zu Gunsten einer Verwertungswirtsschaft mich sowohl „Konsumenten“ als auch Urheber über Gebühr benachteiligen.
Meine persönliche Wahl
Wie gesagt: bei mir bleibt hier am Ende nur die Piratenpartei übrig. Nein, auch deren Programm hat Punkte, die ich im Detail anders sehe. Aber es sind eben: Details. Im Grundsatz und in 97% der detaillierten Inhalte kann ich sagen: passt.
Und da ich verfolge (außerhalb der Massenmedien, bei denen man ja wie erwähnt so gut wie nichts findet), wie die bereits vorhandenen Abgeordneten in den Landesparlamenten agieren, überzeugt mich deren Arbeit auch davon, dass dieses Programm, das nicht wie woanders üblich top-down von einem „Führungsgremium“ ausgearbeitet und Deligierten zum alternativlosen Abnicken vorgesetzt wurde sondern „von unten“, von den Mitgliedern, erarbeitet wurde und in verschiedenen teils sehr unterschiedlichen Alternativen den Mitgliedern auf Diskussionsplattformen vorgelegt und am Ende auf Parteitagen, auf denen alle Parteimitglieder nochmal diskutieren und am Ende mitstimmen konnten, per 2/3 Mehrheit beschlossen wurde (wer mal eine 2/3 Mehrheit nur in einem Verein erreichen wollte, weiß, dass das eine echte Hürde ist), tatsächlich „so gemeint“ ist und auch wo möglich umgesetzt werden wird.
Und nein, ich wähle nicht mehr „taktisch“. Das letzte Mal, als ich das tat, war meine Stimme mitverantwortlich für HartzIV, einen Angriffskrieg und die Deregulierung und Entfessellung der Banken, die daraufhin die Welt in eine Krise stürzten, von der wir uns bis heute nicht erholt haben. Das passiert mir nie wieder.
Würde das Argument „Aber eine Stimme für so eine Kleinpartei ist doch verschenkt, wenn man nicht mal sicher sein kann, dass die über die 5%-Hürde kommen“ stimmen, gäbe es keine Grünen. Bei denen sagte man in den 80gern nämlich genau das selbe.
Und ja, vielleicht, wie man an den Grünen sieht, werden die Piraten auch irgendwann eine „etablierte“ Partei, die sich um ihr Geschwätz von gestern nicht mehr schert. Aber soweit ist es noch nicht. Wenns mal irgendwann soweit sein sollte such ich mir halt eine andere. Aber solange es nicht so ist möchte ich frischen Wind, neue Ideen und Themen.
Nein, als Opposition können die Piraten keine Gesetze ändern, nicht einmal wirklich verhindern. Aber wenn sie im Parlament sind können sie Transparenz hineinbringen, wie sie es in den Länderparlamenten schon tun.
Und allein ihre Existenz und dass die „Gefahr“ besteht, jemand könnte sie ernsthaft wählen wollen hat bei einigen der etablierten Parteien schon Veränderungen bewirkt. Die Grünen entdeckten unter einer meterdicken Staubschicht, dass auch sie mal irgendwann ein BGE im Programm hatten, die Linken wählen eine BGE-Verfechterin in den Vorstand, das Wort „Transparenz“ findet sich in fast allen Parteiprogrammen, man erinnerte sich auch wieder hier und da, dass es mal sowas wie Bürgerrechte gab, das Thema Lobbyismus und Korruption poppte mal kurz auf – aber wenn aus hehren Worten Taten folgen sollen ist weiterer Druck notwendig.
Man kann sich aber, wie die Entwicklung um das Leistungsschutzrecht und die Bestandsdatenauskunft zeigt, nicht darauf verlassen, dass dahinter schon ein echtes Umdenken seitens der Etablierten steckt. Seit die Piraten von den Medien weitgehend ignoriert oder höchstens irgendwelche „Tweets“ irgendwelcher einzelner Mitglieder skandalisiert werden und sie somit weitgehend aus der Wahrnehmung des Mainstreams ausgeblendet sind, fühlt man sich geradewegs ins Jahr 2009 zurückversetzt, wenn wieder Schnüffelgesetze beschlossen werden, Springer sein Leistungsschutzrecht kurz vor der Wahl geschenkt bekommt und sich auch keine Oppsition traut, dagegen zu halten, und sogar neue „Internetsperren“ angedacht werden, also das selbe wie damals bei „Zensursula“, nur diesmal mit dem Vorwand „illegales Glücksspiel“.
„Aber bei den Piraten gibt es auch ein paar Idioten und Spacken“ – ja, bei grob 30.000 Menschen passiert das. Sag mir eine größere Gruppe von Menschen und speziell Parteien, wo es die nicht gibt. Und wo nicht gestritten wird, auch unsachlich. Der einzige Unterschied zu den Etablierten hier ist: bei den Piraten kann man es sehen, und weiß somit auch, wie jemand drauf ist.Bei den Etablierten werden solche Streitigkeiten hinter dem Paravent ausgetragen, und entsprechend noch heftiger, noch intriganter und noch mehr unter der Gürtellinie, weil man nicht einmal Angst haben muss, dabei beobachtet zu werden.
Sag mir eine andere Partei, wo durch die basisdemokratische Ausrichtung und Struktur der Partei die Wahrscheinlichkeit, dass echte Volpfosten auf irgendeinen wirklich einflussreichen Posten kommen bzw., so sie sich auf einen so einen Posten schummeln konnten, sich halten oder gar weiter „aufsteigen“ können, sobald sich jemand als offensichtlicher Vollpfosten outet, so gering ist wie in der Piratenpartei.
Deshalb wähle ich nur noch genau die, deren Ziele mit dem, was ich gern hätte, am meisten übereinstimmen. Und die Piraten haben halt alles, was ich will:
Regenerierung des Sozialstaates und einer sozialen Marktwirtschaft, die das „sozial“ im Namen verdient, eine echte gesellschaftliche Zukunftsvision in Form des BGE, Entfilzung und Transparenz bei staatlichen Ausgaben, das Prinzip Transparenz für Öffentliches und Datenschutz für Privates, Achtung und konsequente Durchsetzung von grundgesetzlich garantierten Rechten, moderne Netzpolitik, moderne und faire Bildung, Förderung und Stärkung von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, eine diskriminierungsfreie Familienpolitik, ein Bekenntnis zu einer demokratischen EU, eine Wirtschaftspolitik, die das Gemeinwohl im Fokus behält, die Umwelt- und Energiepolitik, sogar eine maßvolle und vernünftige Urheberrechtsreform, etc. pp.. Somit ist – für mich – die Wahl klar.
Eine Partei muss nicht mal ins Parlament kommen, um einiges zu bewegen. Die ÖDP erreicht seit vielen Jahren rund zwei Prozent bei Landtagswahlen in Bayern. Und sie macht was aus der Bekanntheit und der Wahlkampfkostenerstattung, nämlich bei Volksbegehren.
Ja. Das war ja 2009 bei den Piraten auch schon so. Ich möchte nun aber wissen, wieviel da dazu kommt wenn sie dann doch im Parlament sind. Zum Teil sehe ich das ja schon in den Ländern. Und mir gefällt durchaus, was ich da sehe 😉
Wobei ich ja durchaus zugeben muß, daß da durchaus der ein oder andere Pirat in einem Parlament sitzt, den ich persönlich da lieber nicht sähe. Aber selbst die sind mir noch immer lieber als die gleichgeschalteten Abnicker der anderen Parteien.
Zum Beispiel der mit dem Geschirrtuch auf dem Kopf 😉
Das Reißen der 5%-Hürde ist ja letztlich auch nur eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ich wähle sie nicht, weil sie keine 5% erreichend könnte, und helfe damit, daß sie sie nicht erreicht. Ich kenne einige bis zu viele, die die Piraten vor fünf Jahren gewählt hätten, aber …
Ja, genau das ist der Blödsinn hinter diesem „Argument“. Aber da scheiß ich drauf. Wäre das ein realistisches Argument, gäbe es keine Grünen und keine Piraten in 4 Länderparlamenten.
Schade, die „es ändert sich ja eh nix“-Fraktion hat offenbar diese Wahl beeindruckend stark genutzt, um ihren Glaubenssatz zu bestätigen und ihre selffulfilling prophecy zu erfüllen und den „Ich wähl‘ was ich immer gewählt hab“-Leuten das Ergebnis überlassen.