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Warum ich wenig Geduld mit „besorgten Bürgern“ habe.

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Weil ich mich sehr gut erinnern kann, was mir in der Familie erzählt worden ist. Der eine Teil der Familie kommt aus Ostpreußen, der andere aus dem Egerland. Mit der „Willkommenskultur“ haperte es auch damals schon, obwohl die damaligen Flüchtlinge „sogar“ Deutsche waren.

Mich und viele andere Menschen die ihr kennt gäbe es nicht, wenn meine beiden Familien nicht geflüchtet wären. Und Kriege und Verfolgung sorgen dafür, dass es auch heute und morgen viele Menschen nicht mehr gibt, die es eigentlich geben müsste – welche Bücher hätte eine Anne Frank in den 70gern, 80gern oder gar 90gern geschrieben, hätte sie überlebt? Sie wäre eine Person gewesen, die voll in meine eigene Lebenszeit hineingereicht hätte. Muss man sich mal klar machen! Was hätte eine Sophie Scholl gemacht? In den 80gern als Gast bei Gottschalks Wetten Dass gesessen?

Wieviel großartige Musik wurde in meiner eigenen Lebensspanne nicht geschrieben und gehört, weil deren Komponisten nicht lebend aus einem Krieg oder einer Verfolgungssituation rauskamen? Srebrenica war 1995. Dort getötete 17-jährige wären heute 37 Jahre alt. Sie könnten heute Musiker, Autoren, Wissenschaftler sein und die Welt bereichern. Sie könnten Menschen sein, denen man im Urlaub begegnet, mit denen man lachen würde, oder in die sich vielleicht jemand verliebt. Sie könnten anderer Leute Komilitonen gewesen sein, während eines Auslandsstudiums, z.B. hier in Deutschland. Oder Arbeitskollegen sein.

So viele Menschen, die ich nicht mehr kennen lernen konnte, obwohl wir „gleichzeitig“ gelebt hätten, aber es nicht taten. Weil sie es nicht geschafft haben.

Ich bin glücklich über jeden Menschen, der es schafft. Der sich in Sicherheit bringen kann.

Und wer weiß denn schon, was der jeweilige Mensch in Zukunft noch macht, weil er überlebt hat? Vielleicht ertrinkt da im Mittelmeer grade ein zukünftiger Nobelpreisträger für Medizin, der Krebs geheilt hätte. Oder sein eigentlich zukünftiger Vater. Das Leben ist etwas so kostbares, ein riesiges, unglaubliches und unbegreifliches Wunder.

Hass und Neid zerstören dieses Wunder. Und alle Wunder, die daraus entstehen könnten.

1985 hetzte Strauß gegen „Kanaken“. Heute vor 23 Jahren warfen hässliche, neidische Menschen in Rostock Brandsätze auf Flüchtlinge. Und wie schon damals werden auch die heutigen „besorgten Bürger“ und Brandstifter von unverantwortlichen, zynisch machtkalkulierenden und empathielosen Politikern aufgehetzt und gerechtfertigt.

Nein, ich habe keine Geduld und auch keinerlei „Verständnis“ für euch „besorgte Bürger“. Ich bin nämlich auch und viel mehr in Sorge. Um die Menschen, die ihr bedroht, mit Hass überzieht und deren Zukunft versucht zu zerstören. Die, nebenbei gesagt, unser aller Zukunft, auch meine und eure auch ist.

Und wenns nur die Menschen wären, die meine und eure Rente zahlen werden, denn ohne junge Menschen werden wir im Alter sehr sehr alt aussehen und womöglich selbst zum „Wirtschaftsflüchtling“ werden müssen. Aber das nur für die gesagt, die unbedingt einen „wirtschaftlichen Nutzen“ sehen müssen, um Menschen und Menschenleben einen Wert zuzugestehen.

Für mich reicht es, dass es ein Mensch ist. Wie ich ja auch einer bin. Wenn ich ein Lebensrecht habe, hat es jeder andere Mensch verdammt nochmal genauso! Nein, ich habe kein Verständnis für eure „berechtigten Sorgen“, die ihr dumpf und völlig uninformiert in eurem Wahn und Hass herausbrüllt, wo immer das Wort „Flüchtling“, „Asylbewerber“ oder auch nur „Ausländer“ erwähnt wird.

Denn ich bin nicht ihr.

Ich bin die.

Und die sind ich.

 

Nachtrag: Das hier war für meine Verhältnisse ja recht kurz. Duke hat auch einen Blogartikel zu dieser Thematik geschrieben, den ich euch hiermit ans Herz lege. Sehr viel länger als meiner, aber dennoch – oder gerade deswegen – absolut wert, gelesen zu werden.

Nachtrag 2: Es macht mir ein wenig Gedanken, dass ich über die letzten 24-48 Stunden einen Trend beobachte, der mir so ein bisschen wie Legendenbildung vorkommt. Er erweckt den Eindruck, dass diese xenophoben Exzesse ein „Ossi“-Problem seien, die Worte „Undankbarkeit“ fallen mir ein bisschen zu häufig, und auch das Label „typisch“ außerhalb von Ironie verwendet ist IMO stets ein Warnsignal dafür, dass damit gelabeltes eher was mit Ressentiments und Vorurteilen in der Wahrnehmung derer, die dieses Wort verwenden zu tun hat als mit Fakten.

Mir kommt das ein bisschen so vor, als ob dieser Spin, der sich da grade etwas verstärkt, manchen „Wessis“ grade recht kommt, um sich einerseits selbst nicht „betroffen“ fühlen zu müssen, unter Umständen mag das auch was mit eigener Scham zu tun zu haben, der man auf diese Weise entkommen möchte, schlimmstenfalls aber auch, um selbst auch den Drang, auf eine Menschengruppe bashen zu können (mit dem „guten“ Gefühl, die „richtigen“ zu treffen) und sich damit ihnen gegenüber zu überhöhen, ausleben zu können, so wie es die rassistischen Dumpfbacken dort in Heidenau auch tun.

Ich sehe da wenig Unterschied in den „Instinkten“ hinter denen von Nazis, die Menschen wegen ihrer Herkunft bashen um sich diesen überlegen zu fühlen und Leuten, die jetzt pauschal und ebenso unreflektiert auf die „Scheiß undankbaren Ossis“ schimpfen.

Sorry, Leute, aber ihr helft damit niemandem, im Gegenteil, ihr steckt in der selben emotionalen und menschenfeindlichen Mechanik wie „die“, wenn ihr auf dieser Schiene bleibt. Ich lese sogar hier und da die selben „Argumentations“muster: „Klar, ich weiß, nicht alle Ossis sind so, aber…“ – die „Regel“ und die „Ausnahmen“: was unterscheidet das von den „Ich sage nicht, alle Ausländer seien Verbrecher, aber…“-Leuten? Wenn Kritik nicht an konkrete Handlungen konkret anhand dieser Handlungen zu definierender Leute geht sondern gegen eine unkonkrete … will mal sagen „ethnische“ Menschengruppe, nur weil sie „Leute von dort“ sind (die Zufälligkeit des Geburtsortes wird ja sonst auch zu Recht angeführt, um das „Argument“ der Herkunft als nicht valide zu kennzeichnen), dann läuft hier was gewaltig schief!

Die dunkle Seite der Macht ist trickreich und kennt viele Wege, Herzen und Hirne zu vergiften und zu übernehmen. Wenn man nicht aufpasst, findet man sich schneller selbst an einer Position wieder, an der man gar nicht stehen wollte.

Mag sein, dass es speziell in Sachsen tatsächlich, auch „Dank“ der dortigen politisch Verantwortlichen (übrigens sind da bekanntlich nicht wenige „Westimporte“ dabei gewesen), die rechtsradikale Umtriebe seit Jahren, wenn nicht schon immer, „traditionell“ verharmlosen und diesen Leuten damit weit mehr Narrenfreiheit ließen als jedes andere Bundesland, ob alt oder neu, besonders schlimm ist, aber nur, weil in anderen Gegenden die sogenannten „Bürger“ ihre Ressentiments vielleicht weniger unverblümt zur Schau stellen heißt das nicht, dass es dort besser wäre. Der aktuellste Brandanschlag fand in BaWü statt (und das ist nicht der erste dort). Z.B.. Und die Behauptung, der „Westen“ habe DDR Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen ist auch allgemein nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig.

Drum hoffe ich, dass dieser Trend schnell als Irrtum erkannt und wieder verlassen wird, denn er ist nicht nur nicht hilfreich, wenn es darum gehen soll und muss, Flüchtenden endlich zu helfen, um ihrer und ihres Mensch-seins selbst Willen, und auch nicht, um etwas den menschenverachtenden Instinkten entgegen zu halten, die viele Menschen hier und auf der ganzen Welt dazu bringen, anderen Menschen unendliches Leid anzutun.

Nachtrag 3: Für mehr interessante Blogbeiträge, aber auch Möglichkeiten, sich zu engagieren, empfehle ich einen Blick auf die Initiative „Blogger für Flüchtlinge“ #BloggerfuerFluechtlinge.

 


Warum ich jetzt halt doch Pazifist bin…

…und sich diese Haltung mit jedem Jahr, das ich älter ich werde, verstärkt hat.

Ich bin ja nun schon ein paar Jährchen alt. Sechzehnunddreißig werde ich dieses Jahr. In meiner Jugendzeit tobte der kalte Krieg, der, wie wir inzwischen wissen, nur durch Zufall und weil am Ende einer Befehlskette ein Mensch saß, der sein Hirn nicht abgeschaltet hatte, nicht heiß wurde. Und wer weiß, wie viele Beinahekatastrophen es noch gab, die nicht so bekannt geworden sind wie diese zwei.

Nach den vielen kleinen Stellvertreterkriegen dieser Zeit kamen dann Irakkrieg 1, Yugoslawien, Irakkrieg 2, Afghanistan und viele mehr, Israel war sowieso immer Thema, eine der größten Katastrophen und Enttäuschungen war Rabins Ermordung, die die beste und seit langer Zeit einzige Hoffnung auf Frieden seit Jahrzehnten da unten mit nur drei Kugeln für weitere Jahrzehnte zerstörte, indem man das zum Anlass nahm, das Gegenteil dessen zu tun was Rabin wollte, damit die Mörder gewinnen ließ und Rabin so doppelt verriet.

Ich war nicht immer Pazifist. Hm, stimmt nicht, ich war es eigentlich schon, aber ich hätte mich nicht immer als solcher bezeichnet. Warum ich jetzt halt doch Pazifist bin… weiterlesen