Ich hatte letztes Jahr im Singvøgel-Weblog was zur Frage der „politischen“ Relevanz von Popkultur/-musik geschrieben. Anlass war damals Pussy Riot, aber das war nur ein Aufhänger für etwas IMO sehr sehr grundsätzliches.
Denn es geht um nicht weniger als die Frage, wie lange sich Pop(uläre) Kunst und Kultur noch „raushalten“ will oder soll.
Habs grade zufällig nochmal gelesen und denke, vor dem Hintergrund dessen, was gerade hier so schief läuft, Stichworte „Rettung“ weniger auf Kosten des Gemeinwohles vieler, Tendenz zum Überwachungsstaat (Bestandsdatenauskunft etc.), Lobbykratie, Intransparenz und Vetternwirtschaft (Leistungsschutzrecht, BER, S21, Ablehnung von Transparenz- und Antikorruptionsgesetzen uvm.) ist der nicht weniger aktuell geworden, auch wenn Pussy Riot nicht mehr in den Schlagzeilen stehen (aber immer noch im Gulag sitzen).
Mir fiel der Artikel wieder ein, als ich auf die Singvøgel-Facebook-Page zur „Feier“ des Tages vorhin unser „Stasi 2.0“ aus dem Jahr 2007(!!) setzte und fand, ich sollte diesen Artikel auch noch mal ausgraben. Denn…
[…]Dass dieses „sich raushalten“ sich inzwischen so fest etabliert hat, dass sogar Teile der „Konsumenten“ hinter Solidaritätsbekundungen nur noch PR-Gründe vermuten – oder, noch schlimmer – hinter der Aktion der Pussy Riots selbst nur einen PR-Coup zum „bekannt werden und zur Förderung von Plattenverkäufen“ (Ja, solche Ansichten gab es zu hören und zu lesen, man möchte es kaum glauben), ist ein weiteres Alarmzeichen dafür, dass sich die industrialisierte Corporateship-Popkultur heutzutage in die gesellschaftliche Irrelevanz bugsiert hat, aus der herauszukommen sehr schwer werden wird – aber auch sehr notwendig ist. Welche Existenzberechtigung hat eine „Kultur“, wenn sie nichts mehr bewegen will, keine Diskussionen mehr eröffnet, keine Reaktionen mehr provoziert?
Es ist dringend Zeit für neue Leadbellys, Dylans, Hendrixe, Baezes, Whos, Patty Smiths, Johnny Rottens, John Lennons, Bruce Springsteens, U2s, Nirvanas und wie sie alle hießen und heißen. Es gibt sie. In den Subkulturen, den kleinen Szenen abseits, den „special interest“-Nischen. Früher, bis tief in die 80ger, waren sie es, die den Mainstream befruchteten, ja, teilweise diesen sogar eroberten, mitsamt ihren Themen. Es liegt „am Markt“, die Gatekeeper zu verjagen, die sie heute zugunsten ihrer schnell gecasteten und ebenso schnell gehypten, ausgepressten und wieder fallengelassenen austauschbaren Fastfood-Schaufensterpuppen nicht ins Scheinwerferlicht lassen. Ihr seid dieser Markt. Ihr habt die Macht. Fordert sie ein.[…]