Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Von Abbildung und Wirklichkeit – Ursache und Wirkung

SPIEGEL TV hat sich des Themas „Integration“ angenommen und mit schönen realistisch aussehenden Bildern und Tönen versehen. Schaut euch dieses Video hier mal genau an – nein, leider kann mans nicht einbetten und auch den ewig langen Werbespot vornweg überspringen, aber das sollte am Ende mit etwas Glück den Effekt haben, dass nicht allzu viele Leute sich dieses Machwerk antun. Für diesen Zweck aber empfehle ich für ein kleines Aha-Erlebnis, das einfach mal durchzustehen.

Also: -> Klick hier für das SPIEGEL-Video

Und danach schaut euch dieses hier an:

Und dann fragt euch, wieviele und welche Bilder zu egal welchen anderen Themen (Sozialhilfe, Atom, Afghanistankrieg, usw…) ihr so im Kopf habt, die euch von „Qualitätsjournalisten“ vermittelt wurden. Und was wohl von diesen (und konkret ja auch vom Rest dieser SPIEGEL TV-„Reportage“ (oder sollte man besser sagen „Montage“) ) zu halten sein wird, auch wenn es zu diesen vielleicht nicht zufällig auch noch eine zweite Kamera gegeben hat, die eine andere Perspektive der selben Szene zeigt….


Sklavenhändler

Mir gehen die Worte aus, ich kann garnicht ausdrücken, wie wütend ich gerade (mal wieder) bin….

[…] „Es werden auch im Bereich geringqualifizierter Arbeit sehr viel mehr Arbeitsplätze entstehen als viele Skeptiker glauben. Früher wurden an der Tankstelle die Scheiben gewischt oder es wurden morgens Brötchen ausgetragen“. Vereinzelt gebe es auch hierzulande schon Schuhputzer oder wie in den USA Tütenpacker im Supermarkt. […]

(via Telepolis: Neue Diskussion um Arbeitspflicht für Hartz-IV-Bezieher)

Genau, Arme sollen gefälligst Armenarbeit machen, wie die Verzweifelten in Amerika. Und wenn sie nicht verzweifelt genug sind, das freiwillig zu tun, dann eben mit Zwang. Hat damals ja auch schonmal funktioniert, damit die Wirtschaft anzukurbeln und die Reichen noch reicher zu machen.

Diesem Unterdrückungs- und Demütigungssystem spreche ich inzwischen jegliche soziale Intention im Sinne „soziale Sicherheit und Achtung aufs Gemeinwohl“ ab und bin inzwischen stattdessen überzeugt, dass mit HartzIV der Sozialstaat abgeschafft wurde und ein klassistischer Apardheitsstaat eingeläutet wurde. Die Reportagen, die du zu sehen bekommst und dich aushaken lassen gehören da genau hinein in die Propaganda, die das Bild der „typischen HartzIV-Schicht“ malt und festigt.

Wir hauen Millionen und Abermillionen für unterirdische Bahnhöfe und ähnlichen Kram raus, für Kriege und für Banken, die sich verspekulierten und schenken weitere Milliarden deren Kunden, die ihnen das Geld zum spielen überließen, weil sie hofften, noch reicher zu werden – aber die Schlagzeilen machen alle halbes Jahr ein Einzelfall HartzIV, mal ists wer, der doch tatsächlich „uns Steuerzahlern“ 10 Euro zuviel „aus der Tasche zieht“, so dass er statt 50 mal 60 Euro zum ausgeben hat, oder mal eine Familie die (wenn sie überhaupt echt ist) sie nicht gebildet genug ist (was auch zum System gehört) und sich von einem Kamerateam vorführen und ausschlachten lässt und an den Pranger stellen lässt, dem vor Abstiegsangst getriebenen Mittelständler ein gruslig-exotisches Bild mit der unterschwelligen Botschaft „Das wird aus dir, wenn du nicht spurst!“ in sein Wohnzimmer bringt.

Kocht denn das Wasser schon längst und wir blöden Frösche habens einfach nicht bemerkt und sind schon tot oder können wir noch raus aus dem Topf?

Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!
Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!

Ich verkauf dir meine Hände, ich verkauf dir meinen Kopf.
Ich versprech dir, nicht viel zu denken, und ich schau dir nicht in deinen Topf.
Für mich bist du der Engel, der uns Armen Arbeit gibt.
Ohne dich wär ich verhungert, ich bin froh, daß es dich gibt.

Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!
Sklavenhändler, geh zum Telefon.
Hörst du nicht, es klingelt schon.

Und wenn ich sieben fuffzich verdiene, geb ich dir drei fuffzich ab.
Ich brauch nur was zu essen und vielleicht ein bißchen Schnaps.
Ich brauch überhaupt nicht viel Geld, denn ich bin ein schlechter Mensch.
Ich hab mein ganzes Leben nichts gelernt, außer daß man besser die Fresse hält.

Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!
Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!


Wahrheit vs. Universum

Seit die Definition von „Wahrheit“ des „Kirchenvaters“ Augustinus als Basis für die Etablierung der Dogmenstruktur des Christentums herangezogen wurde und das Prinzip dieser Dogmenstruktur über die Jahrhunderte als fundamentaler Teil „westlichen“ Denkens internalisiert wurde hat die westliche Denkwelt ein Problem mit dem Universum und den Bildern, die sie sich von diesem macht. Konkret: zu oft wird dieses Bild mit dem Original verwechselt und versucht, das Universum zu betrachten, indem man nur auf das Bild, das man sich von ihm machte, schaut. Und dieses Bild zum wahren Universum erklärt, als ob man davon nicht aufschauen müssen möchte weil man sich ja sonst mit der Komplexität des echten Universums rumärgern muss, dessen Haupteigenschaft eine verwirrende Vielfalt zu sein scheint. Wo doch Einfalt viel einfacher sein kein.

Derzeit zeigt sich dieser IMO integrale Teil unserer hiesigen „Denkkultur“ in einer Diskussion über Homöopathie und deren Bezahlung (bzw. der Bezahlung der vorangehenden Arztgespräche) seitens der Krankenkassen. Ich stimme dem Schockwellenreiter zu, die gesamte Diskussion ist ein Ablenkungsmanöver, nichtmal ein besonders gutes, weil – eigentlich – völlig durchsichtig und so platt, dass eine Schicht Blattgold dagegen ein Hochgebirge ist. Dennoch funktioniert es, offensichtlich, denn die ersten Kommentare auf den Hinweis „Hey, hier wurde ein Ablenkungsmanöver gestartet“ sind welche, die genau dieses Wahrheitsspiel mitmachen und nichts besseres zu tun haben als eben ihre jeweiligen „Wahrheiten“ zu verteidigen.

An anderer Stelle passiert dies freilich ebenfalls, und wer derzeit gerne live und in Farbe wissen möchte, wie das passieren kann, dass religiöser Fanatismus am Ende zu solchen Auswüchsen wie Inquisition, Kreuzzügen oder „nur“ Galileischen Widerrufen führen kann muss sich nur in zig Foren, Twitter- und facebook-Timelines und Kommentarthreads unter Blogeinträgen oder News-Seiten diesen Glaubenskrieg anschauen, der hier ausgebrochen ist.

Wobei mir viele Homöopathiegegner – sich offensichtlich im alleinigen Besitz allumfassender Wahrheit wähnend wie sonst nur der Papst – in ihrem religiösen Missionarseifer weit schlimmer vorkommen als die von ihnen bestenfalls als naiv, schlimmstenfalls als reif für die Klapse geschmähten Homöopathie-Befürworter, sprich, absolut kompromisslos in der Verkündung dessen, was Wahrheit sei – und der Überzeugung, dass alles, was dieser nicht entsricht nur falsch, Häresie, teuflischster Aberglaube sein könne, völliges Unverständnis zeigend, ja, schier Verzweiflung darüber, wie es denn sein kann, dass jemand nicht das Licht der reinen und wahren Lehre erkennen kann oder sie gar ablehne in seiner wahnhaften Verhaftung in Unwissenheit und Blindheit, denn eine andere Erklärung kann es nicht geben für diese Verstocktheiten, und zum Wohl aller und der Durchsetzung der wahren Wahrheit muss diese Verstockung gebrochen werden. Denn alles, was nicht der einmal definierten Wahrheit entspricht ist tiefster Aberglaube. Und Aberglaube bringt bekanntlich großes Unglück!

Und wie es sich für gute Fundamentalisten gehört: Gegen mich ist, wer nicht für mich ist: dieses Urteil trifft nicht nur Menschen, die Homöopathie gut finden, sondern auch alle, denen es wurscht ist bzw. eben alle, die sich nicht ebenfalls und explizit als Gegner dieser Irrlehre positionieren.

Auf die Idee, dass das, was heute als „Wahrheit“ gilt stets nur das Abbild der derzeit vorhandenen Informationen sowie eine (von vielen möglichen) Deutung dessen sein kann, und somit binnen Sekunden, je nachdem, welche noch unbekannte Information noch dazukommt, komplett obsolet sein kann – letztens sah ich eine Reportage über den vor grade mal 60 Jahren entdeckten Jetstream, ohne den heute weder Flugrouten noch Wetterprognosen mehr denkbar sind, und „Monsterwellen“ gibt es erst seit 10 Jahren, davor waren sie auch reines Hirngespinst, Aberglaube, Seemannsgarn, bestenfalls hysterischer Sinnestrug – kommen diese Verfechter und Besitzer der einzig wahren Wahrheit nicht.

[Ergänzung 14.07.] Witzigerweise sind „richtige“ Wissenschaftler sich dieser Unsicherheit durch den stets momentanen Charakter der eigenen Erkenntnisse meist bewusst und formulieren eben so gut wie nie „Wahrheiten“ sondern: Hypothesen, Thesen, Interpretationen, Erkenntnisstände, etc. pp., und unterscheiden zwischen dem, wofür diese Begriffe stehen, auch recht genau. Und dass es Eindeutigkeit im Normalfall (!) nur in zuvor idealisierter Umgebung gibt und dass eine solche freilich außerhalb geschlossener Systeme nicht hergestellt werden kann und dort der Komplexität der sogenannten „Wirklichkeit“ geschuldet die Eindeutigkeit der Näherung – und des steten Risikos der Missinterpretation vorhandener Information oder deren Befundung – weichen muss wissen sie im Normalfall ebenfalls.

Wenn es nicht so erschreckend wäre, es wäre schon wieder komisch in seiner Ironie: viele derer, die am lautesten „Vernunft! Aufklärung!“ brüllen – und damit andere Sichtweisen nieder zu brüllen versuchen – zeigen am fanatischsten alle Symptome voraufklärerischen Dogmenglaubens mit all seinen Auschschluss-Logiken , Verwechslungen von Motiv und Abbildung (Phänomen und Erklärungsversuch, Wahrnehmbarem und Definition, …) bis hin zu Forderungen, die dem Denkmodell und Absichten einer spanischen Inquisition so nahe kommen, dass man schon Angst haben muss, dass demnächst Homöopathen oder auch nur Menschen, die öffentlich behaupten, Homöopathie habe ihnen geholfen, auf Scheiterhaufen landen. OK, sowas veträgt sich heute nicht mehr mit dem Jugendschutz und den Hygienegesetzen, aber einweisen wäre doch eine Option?

Ja, diese fanatische Vehemenz mancher Homöopathiegegner erinnert mich fatal an das Prinzip religiöser Dogmen, die ebenfalls auf einer (von Augustinus mit dem Prinzip der „einen Wahrheit“ formulierten) Ausschlusslogik eines eindeutigen „wenn eines richtig ist ist alles andere automatisch falsch“ und ihre Durchsetzung „alles sich so als Falsches ergeben habende muss bekämpft und ausgerottet werden“ basiert und in einer Absoultheit einer schwarz-weißen Denke weder Zwischentöne noch schlicht „Anderes“ zulässt und die Komplexität einer „Realität“ mit all ihren bunten und oft eben auch (noch) unerklärlichen Phänomenen dadurch zu kontrollieren versucht, dass diese Realität eben „einfacher“ definiert wird und alles, was nicht in die Definition passt auch nicht mehr als Realität oder Teil einer solchen anerkannt wird. Dogmen wurden allerdings erfunden als Instrument der Kontrolle und des Machtgewinnes bzw. Machterhalts. Und genau dafür funktioniert das Prinzip, auf dem sie basieren.

Dieses Denkmodell, so meine These, ist schlicht ein Teil der, im Kern christlich geprägten, hier „im Westen“ üblichen Denk-Kultur. Der Wunsch nach „der“ allgemeingültigen Wahrheit, die stets nur „entweder – oder“ kennt, dessen Entscheidung für das eine automatisch die Ablehnung alles anderen fordert und ein „sowohl – als auch“ nicht nur nicht kennt sondern konsequent verhindert ist ein erst tradiertes, dann internalisiertes Denkmuster. Der daraus resultierende Denkfehler, wie Antje Schrupp dieses Phänomen bezeichnet, ist das konsequente – und ursprünglich auch mal genau so gewollte – Ergebnis mit den von ihr beschriebenen Auswirkungen:

„[…] Mir scheint diese Vorstellung, dass Wahrheit gleichbedeutend mit Allgemeingültigkeit ist, und dass Lösungen nur real sind, wenn sie immer und überall gelten, einer der grundlegenden Denkfehler unserer Kultur zu sein. Anstatt von der Wirklichkeit auszugehen, wie wir sie vorfinden, und im Umgang mit ihr Erfahrungen zu sammeln, versuchen wir, abstrakte Regeln und Gesetze auf konkrete Situationen anzuwenden – notfalls mit Gewalt. Und anstatt bei einem realen Problem eine pragmatische Lösung zu suchen, lassen wir das lieber sein, sobald uns theoretisch irgend eine andere Situation einfällt, in der das möglicherweise nicht funktionieren würde. […]“

Und weil das so ist und immer noch richtig gut funktioniert ist die beste Methode der Politik, von echten Problemen abzulenken: einen Religionskrieg mit klar definierten und polarisierten Feindbildern anzuzetteln.

Und wenn zusätzlich behauptet wird, dass die eine Seite der anderen was wegnähme, wie es sich in jeglichen Sozialsystemdiskussionen bewährt hat, wo sich eine zahlende Mittelschicht von denen, die alles haben und nichts davon abgeben wollen, erzählen lassen, dass sie nicht etwa deshalb soviel zahlen, weil die, die viel hatten, sich nach ihrem Bankencrash gern ihre Verluste wieder ausgleichen lassen möchten, sondern weil die Opfer dieses Wirtschaftspolitikprinzips der Konzentration und Sicherung des Vielen auf Wenige angeblich „so viel kosteten“, und behauptet wird, dass sie den Menschen am Existenztenzminimum und darunter zynisch „römischer Dekadenz“ finanzierten, dann funktioniert das grade nochmal so gut, denn nichts ist effektiver zur Steuerung und Ablenkung des Mobs geeignet als den Besitz der absoluten Wahrheit und auf Sündenböcke umgeleitete Empörung zu kombinieren.

QED

Nachtrag: Weiter bei Martin: „Von was der „Homoöphathie-Glaubenskrieg“ ablenkt“

P.S.: der Artikel ist glaub ich etwas wirr. Das liegt daran, dass ich ihn nicht an einem Stück schrob sondern zwischenspeicherte und nach ein paar Stunden versuchte, „fertig“ zu schreiben. Es ist ein Wunder, dass ich das geschafft habe, denn normalerweise brauch ich nix zur späteren Vervollständigung speichern, da ichs eh nicht fertig mache. Naja, an der teilweisen Wirrnis dieses Artikels kann man wohl auch erkennen, warum. Den nächsten Artikel versuche ich wieder an einem Stück fertig zu knödeln, versprochen 😉

P.P.S.: Disclaimer: ich bin kein Homöopathie“befürworter“. Ich bin aber auch kein Homöopathie“gegner“.


An „Die Jugend“ Nein: An „eine ganz bestimmte Jugend“

„Kochs Kriegserklärung an die Jugend“ titelt SPON und schreibt an und für sich ganz richtig:

[…] Denn die Forderung läuft auf eine Untat hinaus: Nachdem die Bundesregierung die jungen Deutschen unter einem Schuldenberg begraben hat, will Koch nun auch noch die Schaufeln beschlagnahmen. Stärkere Anstrengungen in Bildung und Forschung sind nämlich der einzige Weg, wie die jungen Deutschen überhaupt befähigt werden, die alten und neuen Schulden zurückzuzahlen, die nötige technologische Erneuerung zu stemmen und tragfähigen Wohlstand zu generieren, der nicht auf faulen Krediten gründet.
[…]
Stehen nicht ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung, wird es kaum möglich sein, die große Zahl von Migrantenkindern rechtzeitig mit der deutschen Sprache und modernem Lernen vertraut zu machen. Dann müssen die Unternehmen mit Mitarbeitern auskommen, die selbst Gebrauchsanleitungen nicht verstehen. […]. Gibt es nicht genug Geld für die Hochschulen, fehlen Deutschland in Zukunft die Ingenieure, Naturwissenschaftler und Denker, die es als hochentwickeltes Land braucht. […] Kochs Plan würde zu einem kulturellen und ökonomischen Siechtum führen.

Um zum Schluss zu kommen:

Die Forderung, ausgerechnet bei Bildung und Forschung zu sparen, kommt einer Kriegserklärung an die Jugend und an die Zukunft des Landes sehr nahe. Besser auf die Spitze treiben lässt sich der Gegenwartsegoismus nicht.

Und da sage ich: hey, fast richtig. Eine Kleinigkeit habt ihr aber übersehen: hier geht es nicht um „die Jugend“ und deren Chancen. Geschweige denn um die Chancen dieses Landes oder dessen Zukunft. Oder die Wirtschaft.

Es ist nicht „die“ Jugend, an die diese Kriegserklärung geht, sondern ein bestimmter Teil der Jugend: die Ausländer, die HartzIV-Verliererkinder, die Nichts-Haber-Kinder, die Arbeiterkinder, die Nicht-Akademiker-als-Eltern-habe-Kinder – Kurz alle, die den Blagen der eigenen immer kleiner werdenden aber nach wie vor über das Geld und die Mittel verfügenden Klientel „gutbürgerlich“ auf dem immer kleiner werdenden Arbeitsmarkt gut bezahlter Jobs in der Zukunft zur Konkurrenz würden, ließe man ihnen eine Chance auf gute Bildung und Entwicklung.

Es geht einer (Möchtegern-)Elite ausschließlich darum: dem eigenen Nachwuchs Konkurrenz vom Hals halten.

Der Konkurrenzkampf – und letztlich der Überlebenskampf – der Wenigen gegen die Vielen hat schon lange begonnen. Man kann Koch viel nachsagen. Und auch viel – oder besser: wenig von ihm halten. Aber diese Forderungen sind nicht so kurzsichtig wie sie aussehen. Im Gegenteil: sie sind perfide konsequent und durchdacht, wenn man sie aus der Warte eines Wunsches nach Macht- und Pfründeerhalt sieht. Wirtschaft? Land? Volk? Zukunft aller? Gemeinwohl? Alles Quatsch, alles nicht Thema, hier kämpft eine kleine Elite den sozialdarwinistischen Kampf um die Futtertröge, den eigenen Kindern das meiste, die anderen sollen sehen wo sie bleiben.

Da sind Humanismus, Aufklärung, Ideale grade schöne Worte, die man sich aber grade nicht leisten kann, denn hier geht es um den puren Egoismus einer sich zum neuen Adel eingesetzten Klasse, die jetzt den neuen Feudalismus mit allen Mitteln durchsetzt, denn nichts anderes ist diese Strategie, über Beschränkung des Zuganges zu Bildung die „guten Jobs“ und Machtposten faktisch als eine Form von Erbnachfolge zu etablieren und „niedrig geborene“ davon auszuschließen.

Und genau deshalb ist Koch letztlich nur der der die Forderungen ausspricht – es besteht schon längst Einigkeit diese Form des Klassenkampfes von oben nach unten durchzuführen. Genau genommen stecken wir schon seit Jahren mitten drin. Vielleicht sogar schon so lange, dass man sagen muss, dass die sogenannten „bildungsfernen“ – besser wäre „von der Bildung entfernten“ – Schichten den Kampf schon lange verloren haben.


Nazis und die Meinungsfreiheit

Aus aktuellem Anlass rund um den Versuch, eine große Nazidemo in Dresden durch eine große Blockade zu verhindern, eine Staatsanwaltschaft, die diese Initiative mit Razzien, Verhaftungen und Verboten überzieht und kriminalisiert, und ein paar total bekloppten Piratenparteimitgliedern, die offensichtlich überhaupt keine Ahnung haben, wem sie da das Händchen zu halten gedenken, indem sie dieser Initiative die Unterstützung verweigern möchten und damit lieber den Nazis als „Toleranztrottel“ dienlich sein wollen, mal ein knappes Statement zu den immer mal wieder zu hörenden „Argumenten“, irgendwelche Rechte „auch für Nazis“ schützen zu müssen, ein paar Gedanken, die vielleicht helfen, ein paar Sachen zum Thema „Toleranz“ und „Freiheit“ klar zu kriegen:

Das Argument ist ja immer wieder das selbe: Man wolle keine Einschränkung der „Versammlungsfreiheit“ und der „Meinungsfreiheit“, selbst wenn das bedeute, dass diese auch von Nazis genützt würde, und am Ende kommt dann auch immer einer mit diesem bescheuerten Zitat des „Ich mag deine Meinung verachten, würde aber dafür sterben, dass du sie sagen darfst“, Yaddayaddayadda.

Letzteres Zitat allerdings entlarvt eben genau den kapitalen Denkfehler, dem hier auf den Leim gegangen wird: man glaubt, rechtsradikale, nationalsozialistische, rassistische Ideologien seien nur eine „Meinung“. Und die Verhinderung einer Veranstaltung, deren Zweck es ist, eine solche Ideologie zu zeigen, zu verbreiten und in die Gesellschaft einzubringen sei ergo die Verhinderung von „Meinungsfreiheit“.

Achso, und natürlich passt auch zum Neuen Denken(TM), einen passiven Widerstand, wie es eine Blockade ist (und in den 80-ern zum selbstverständlichen Repertoire für friedliche Demos gehörte) inzwischen zur „Gewalt“ umzuinterpretieren, die inzwischen sogar staatliche Gewalt rechtfertigt, die das Bild, Demonstranten und Organisatoren von Demos seien tendenziell schon halbe Terroristen, die man mit Razzien, Verhaftungen und Verfolgungsdruck (ich will nicht wissen, wieviele Leute da schon abgehört werden und verwanzt sind), das eh schon seit Jahren in die Öffentlichkeit gedrückt wird, nochmal verstärkt – wie weit die Message „lasst die Finger von Demos, da ist man schneller kriminell als man gucken kann“ schon erfolgreich vermittelt wurde sieht man ja daran, dass selbst Mitglieder einer Partei, die das Wort „Pirat“ als ironische Reminiszenz an ebendiese Tendenz, inzwischen schneller kriminalisiert zu werden als ein Regierungsmitglied sein OK unter eine Lobbyistenforderung kritzeln kann, darauf hereinfallen.

Eine Blockade ist passiv, ergo friedlich. Alles andere ist Neusprech. Ich sehe nicht, dass mit Gegendemos und passiven Blockaden zu „Unfrieden“ und damit zu einer „gewalttätigen Veranstaltung“ aufgerufen worden wäre.

Zur „Meinungsfreiheit“ der Nazis: Ich sehe eine Ideologie, die Menschenrechte nicht nur missachtet sondern ihnen offen widerspricht nicht als „Meinung“, die durch Menschenrechte gedeckt ist. Naziideologie ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.

Toleranz heißt nicht, die eigene Abschaffung tolerieren zu müssen. Im Gegenteil: es heißt, sich gegen jeden, der sie abschaffen will, zur Wehr zu setzen. Wenn möglich friedlich. Wenn nötig auch mit anderen Mitteln. Soweit sind wir zum Glück noch nicht. Wenn allerdings selbst friedliche nicht mehr genutzt werden dürfen, so dass sich Intoleranz ungehindert verbreiten darf, wird es irgendwann zu spät sein. Vielleicht sogar zu spät selbst für nicht friedliche. Dann will man es am Ende wieder nicht gewusst haben, nichts mehr gemacht haben können oder ja nicht gewesen sein. Wir hatten das schonmal, was lernen die Leute eigentlich inzwischen im Geschichtsunterricht?

Das vermeintlich zweischneidige Schwert, unter Umständen etwas zu unterstützen, das die Meinungsfreiheit von Nazis einschränke, ist nur solange zweischneidig, solange man Meinung und Ideologie nicht unterscheiden kann. Eine Meinung bringt keine Menschen um. Wenn ich mir die Statistik rechter Gewalt so anschaue komme ich zum Schluss, dass es sich hier nicht um eine Meinung handeln kann. Es ist Ideologie, Handlungsaufforderung, Anstiftung und am Ende Mord und Totschlag.

Übrigens werden die Leute, die den Nazis ihre „Meinungsfreiheit“ verteidigen, von ebendiesen „Toleranztrottel“ gennant. Und ich komme nicht umhin, zugeben zu müssen, dass ich denen in einem einzigen Punkt, nämlich diesem, tatsächlich zustimmen muss. Zum Glück ist das aber wirklich der einzige. Achso, und „Demokraten“ ist bei denen ein Schimpfwort, mit dem der Systemfeind bezeichnet wird. Sorry, aber ich bin nicht bereit, Leuten die „Freiheit“ zuzugestehen, die aller anderen, inklusive deren Recht auf Leben, abzuschaffen. Man kann Freiheit auf verschiedene Weise zu Tode schützen. Einmal, indem man selbst Freiheitsrechte abschafft, um sie Angriffen anderer zu entziehen. Aber auch, indem man Feinden der Freiheit alle Freiheit lässt, sie zu zerstören.

Ich kann nicht verstehen, wie jemand der die Dummheit der Logik des Sicherheitswahnes erkennt und anprangert, die selbe Dummheit und Irrationalität vertritt, indem er die, die jegliche Freiheit abschaffen, genau diese Möglichkeiten zugestehen will und nicht bemerkt, dass es damit die andere Seite derselben Medallie ist, mit demselben Ausgang: Abschaffung von Bürger- und Menschenrechten und Verlust von Freiheit.

Die Freiheit, die wir heute (noch) haben ist eine erkämpfte Freiheit. Eine nicht immer friedlich erkämpfte, eine, die von dem, der frei sein möchte, immer wieder fordert, für diese einzustehen und sie gegen Tendenzen, sie abschaffen zu wollen, verteidigt, die immer wieder neu erkämpft werden will und muss. Freiheit passiert nicht durch Nichtstun, Freiheit geht vielmehr gerade verloren durch Verweigerung, Wegsehen und Gewähren lassen.

Wenn man Ideologien der Unfreiheit gewähren lässt ist das kein Ausdruck von Freiheit, sondern Ausdruck von Dummheit, Angst und Unverständnis. Dort, wo man Unfreiheit gewähren lässt, existiert keine Freiheit mehr, denn bei Freiheit gilt der alte Satz aus Highlander: es kann nur einen geben. Ich bin immer sehr vorsichtig mit „entweder – oder“, denn meist sind vermeintliche Antipoden in Wirklichkeit nur rethorische Konstrukte und können real prima auch „sowohl – als auch“ existieren. Aber Freiheit und Unfreiheit an einem Ort geht nicht, hier gibt es tatsächlich nur „entweder – oder“. Und entsprechend muss man sich entscheiden.

Und wer Unfreiheit, Chauvinismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit schützen will, hat in meinen Augen als Steigbügelhalter entsprechender Ideologien letztlich eindeutig Position bezogen: gegen die Menschenrechte, gegen die Freiheit und gegen die Demokratie.

So jemand muss sich dann nicht wundern, wenn die, auf der Seite der Freiheit stehen und für diese kämpfen, keinen Unterschied machen können zwischen Leuten, deren Motivation tatsächlich die Abschaffung der Freiheit ist und denen, die ihnen nur als dumme Wasserträger dienen. Denn es zählt die Position, nicht die Motivation, mit der man sie wählte.

Listen and repeat:

  • Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen gegen das Menschenrecht. Wer Rassismus schützt ist Mittäter.
  • Rechtsradikalismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen gegen das Menschenrecht. Wer die Verbreitung rechtsradikaler Ideologie schützt ist Mittäter.
  • Menschenrechte zu bekämpfen ist keine Meinung sondern ein Verbrechen gegen das Menschenrecht. Wer Menschenrechtsgegner im Kampf gegen Menschenrechte gewähren lässt ist Mittäter.

Ich habe fertig.

Nachtrag:

Weil da auch immer mal wieder so getan wird, als ob es zu dieser angeblichen „Meinung“ keine Taten gäbe, und weil es ein sehr beeindruckendes Interview mit einer Augenzeugin ist – ich wünschte, dass einer der „Aber das ist doch nur eine Meinung, Gedanken tun doch nix“-Verharmloser versucht, ihr gegenüber ernsthaft diese Position zu vertreten – der müsste doch vor Scham im Erdboden versinken: einestages: „Alle in der Etappe wussten es“

[…]
SPIEGEL: Sie schreiben am 5. November 1941 an die Eltern: „Das, was Papa immer sagt, dass von Menschen, die ohne moralische Hemmungen sind, eine merkwürdige Luft ausgeht, ist wahr; ich kann jetzt die Menschen unterscheiden, man riecht bei vielen richtig Blut. Ach, was ist die Welt für ein großes Schlachthaus.“ Sie glaubten, die Mörder erkennen zu können?

Schücking-Homeyer: Ja, ich hatte diesen Eindruck. Wenn man Herr über Leben und Tod ist, dann verhält und bewegt man sich anders als andere Menschen. Man zeigt, dass man über alles entscheidet.
[…]

Nachtrag2:

Ich kopiere mal meinen letzten Kommentar noch hier hoch, vielleicht stellt das doch nochmal ein offensichtlich weit verbreitetes Missverständnis klarer:

Nein, Ideologie ist mitnichten „eine Summe von Meinungen“ -> http://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Ideologie

Und Nazis vertreten eine Ideologie und keine Meinung – > http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsextremismus#Hauptmerkmale

Niemand sagt, dass irgendeine Meinung ein Verbrechen sei.

Ich weiß auch nicht, wie oft ich das schon wiederholt habe, und ich gebe zu, ich bin es müde, immer wieder die Behauptung, ich würde „Meinung als Verbrechen bezeichnen“, zu lesen. Wenn keinermeine Postings liest, bevor er drauf antwortet, brauch ich auch nichts zu schreiben.

Art.5 schützt die Meinungsfreiheit, ja. Und das ist gut so, denn das ist ein Bürgerrecht in diesem Land und gilt auch als Menschenrecht.

u.a. Art. 1 schützt ebenfalls Menschenrechte. Art. 20 verlangt explizit, sich gegen jeden Versuch der Abschaffung der vorausgehend formulierten Bürger- und Menschenrechte sowie der politischen Ordnung, die auf diese aufbaut, zur Wehr zu setzen.

Nazis widersprechen diesen Rechten, explizit denen aus 1 und sogar der durch stumpfe Wiederholung nicht einen Deut mehr auf Nazi-Ideologie zutreffenden 5, und wollen sie abschaffen (und taten dies schon mal, somit ist meine Behauptung erwiesene Tatsache und nicht nur hypothetisch)


Neues aus DE: Was macht eigentlich einen Polizeistaat aus?

Süddeutsche: „Achtung Achtung!“

[…] In einer Einzelzelle auf dem Polizeipräsidium verbringt Samir, wie er später sagt, »die schlimmste Nacht meines Lebens«. Er versteht nicht, warum er hier ist. In den Nachbarzellen schreien die Betrunkenen; es ist Oktoberfest. Samir hat Angst. Angst hat ihn hierher gebracht. Nicht seine eigene, sondern die Angst eines ganzen Landes: Am nächsten Morgen erklärt ihm die Richterin, er werde verdächtigt, ein Attentat auf das Oktoberfest zu planen. […]

Leibowitz: „Was mit Polizei und Bürgerrechten“

[…] Morgens kurz nach 8 Uhr wurden Frau Leibowitz und ich durch wüstes Sturmklingeln an der Haustür geweckt. Wie meistens war sie schneller aus dem Bett als ich und öffnete die Tür. Damit begann unser morgendlicher Albtraum. Während ich versuchte in eine Jeans zu kommen, stürmten drei Herren und eine Dame der Kriminalpolizei wie ein Rollkommando unsere Wohnung und trieben uns in die Küche. Von dem Lärm geweckt kam auch die Tochter von Frau Leibowitz aus ihrem Zimmer und wurde ebenfalls in der Küche festgehalten. Richtig vorgestellt hat sich von der Polizei eigentlich niemand, der Leiter der Aktion brüllte nur irgendwas von Durchsuchungsbefehl und dass wir uns viel Ärger ersparen könnten, wenn wir alles sofort zugeben. Bis dahin hatte ich keinen blassen Schimmer um was es überhaupt ging […]

Alles bedauerliche Einzelfälle

Aber dann haben die Wähler wirklich was bewirkt!

„Wenn ich ein demokratisch denkender Mensch bin, dann gehe ich wählen, und wähle irgend jemanden, der möglicherweise die etablierten Parteien ärgert. Ich mache nun, entschuldigen Sie, etwas Kabarettistisches, ich sage, die Piratenpartei bekommt 5,1 Prozent. Stellen Sie sich das mal vor, was für ein Entsetzen bei den etablierten Parteien! Aber dann haben die Wähler wirklich was bewirkt!“

Ulrich Wickert

Vom richtigen Maß an Menschenwürde, Demokratie und Meinungsfreiheit

Frau von der Leyen meint da also (Emphasis von mir):

Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten

Udo führt dazu im Lawblog aus:

Die Menschwürde zählt, vereinfacht gesagt, zu den Grundrechten. Sie ist ein Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates. Niemand darf von staatlichen Organen zu einem bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht und seines Selbst beraubt werden; sein Leben ist nicht gegen das Leben anderer abwägbar (ausführliche Beschreibung: Wikipedia).
Frau von der Leyen münzt das Abwehrrecht gegen den Staat in einen Handlungsauftrag des Staates um. Plötzlich ist die Menschenwürde ein Grund für staatliches Eingreifen – der Staat schützt die Menschenwürde seiner Bürger, indem er Dritten den Mund zuhält oder durch Stoppschilder dafür sorgt, dass sie im Internet nicht mehr gelesen, gesehen und gehört werden können.

Ich möchte zu diesem Paradigmenwechsel ergänzen:

Frau von der Leyen scheint also einen Zustand von „zuviel“ Meinungsfreiheit, Menschenwürde und Demokratie zu kennen und sich und den Staat in der Pflicht zu sehen, dafür zu sorgen, dieses „Zuviel“ auf das „richtige Maß“ zu reduzieren. Sozusagen eine Sorgfaltspflicht des Staates, der darauf Wert zu legen hat, dass Menschenwürde, Demokratie und Meinungsfreiheit nicht etwa überhand nehmen sondern immer schön beschränkt werden oder bleiben, da zu viel Menschenwürde, Demokratie und Meinungsfreiheit nicht gut wären…

Ist das jetzt ein Fall für den Verfassungsschutz? Oder den Art. 20 GG?

Und wer denkt, nur die CDU/CSU sähe das vielleicht so, dass Grundrechte, Demokratie und Menschenrechte der Einschränkung bedürfen, darf sich bei der SPD vom Gegenteil überzeugen lassen:

Wenn wir gegen das Grundgesetz verstossen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf.

sagt Thomas Jurk.

Und lügt freilich, was diese angebliche „Unmöglichmachung“ betrifft, denn natürlich ist ein hinter einem problemlos umgehbaren Sichtschutz Versteckten anstatt zu verfolgen, löschen und zu ahnden nicht nur keine „Unmöglichmachung“ sondern im Gegenteil, in meinen Augen geradewegs Strafvereitelung.

Zum anderen nimmt da also ein „Volksvertreter“, jemand, dessen Verpflichtung u.a. gerade in der Umsetzung, der Einhaltung und freilich auch irgendwie im Schutz der Verfassung liegt, öffentlich und bewusst „in Kauf“, eben dieser Verpflichtung nicht nur nicht nachzukommen sondern explizit dagegen zu verstoßen? Kann man den anzeigen? Ist das ein Gefährder? Kann man den belangen?

Diese komischen „Grundrechte“ da, und dieses 60 Jahre alte Grundgesetz, in dem das Zeug steht, scheinen mir in der Tat langsam zum beliebigen unverbindlichen Spielball einer völlig korrupten, abgehobenen und nur auf ihren Machterhalt und persönlichen Vorteil fixierten Clique von Berufslügnern und ihren Lobbyisten verkommen zu sein. Schade, dabei war das, was da so drin steht, ja eigentlich mal ’ne richtig dufte Idee…

P.S.: Ein Lied, zwo, drei, vier

CDU findet Urheberrechtsverletzungen schlimmer als Kinderpornographie

oder wie soll ich das hier anders verstehen (Emphasis von mir)?

[…] Gefahr gelaufen, Straftaten im Internet Vorschub zu leisten, von der Vergewaltigung und Erniedrigung kleiner Kinder bis hin zu Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen. […]

Im Ernst: allen Beteuerungen, keine Mauer bauen zu wollen keine über KiPo hinausgehende Zensurinfrastruktur einrichten zu wollen, gerade die – zum wieder und wieder wiederholten Male auftauchende – Nennung von Kinderpornographie und Urheberrechtsverletzung in einem Satz zeigt, dass das Gesetz, wenn erstmal installiert, mit 100%-ger Sicherheit um weitere Punkte erweitert werden wird, und etwas anderes zu glauben ist naiv, weltfremd und widerspricht allen vorangegangenen Erfahrungen, die zeigen, dass bislang jegliche „nur für Zweck soundso“ beschlossene Maßnahme und Grundrechtsbeschränkung/-Abschaffung noch am Ende für völlig andere Zwecke genutzt werden wird (ein Beispiel? Abschaffung des Bankgeheimnisses „nur zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens“ anyone?).

Dass die SPD trotz des Versuchs einzelner letzter aufrechter SPD-Mitglieder, die nur inzwischen so wenige sind, dass sie schon lang nichts mehr ausrichten können, das Schlimmste noch zu verhindern, am Ende wie inzwischen schon gewohnt gerade noch rechtzeitig alles gründlich vermasselt, und zwar auf die möglichst blödeste Weise kann man dabei nur erwartungsgemäß zur Kenntnis nehmen, wer davon noch ernsthaft enttäuscht oder gar überrascht ist hat der SPD in den letzten 12 Jahren nicht besonders aufmerksam zugeschaut. Wenn Böhning sich schönredet, „weiter als gedacht“ gekommen zu sein mit seinem komplett ignorierten Initiativantrag da zeigt das ja, wieviel – bzw. wenig – schon „Insider“ erwarten. Dieses „Weiter als gedacht“ ist NICHTS, Alter, Null, Nada, heiße Luft, für’n Arsch, Lachnummer.

Ich suche derweil nach einer echten politischen Alternative, jenseits idiotischer Links-Rechts-Ideologie-Schemata. Ich bin so kurz davor, in diese „Piratenpartei“ einzutreten. Als Musiker muss ich mich da allerdings tatsächlich nochmal ganz genau mit deren Vorstellungen zu einem neuen Urheberrecht auseinandersetzen – auf den ersten Blick gefällt mir der Ansatz, aber ich werde mir natürlich auf jeden Fall auch das Kleingedruckte und den Sternchentext vornehmen. Vielleicht wird es dazu hilfreich, mir auch diese Initiative „Musikpiraten“ mal genauer anzusehen, und zu diesem Behufe am 20. mal zur Vereinsgründung aufzuschlagen?

Jedenfalls, CDU: ich bin „Urheber“, und ich sage euch: IHR braucht mich nicht schützen, wenn euer angeblicher Schutz so ausschaut, dass ihr Menschen, die meine Werke hören möchten nicht nur präventiv kriminalisiert, sondern dies sogar in einem Maße tut, dass ihr sie mit Kinderschändern gleichsetzt. Ihr habt und zeigt in meinen Augen damit keinerlei Respekt vor Kunst, vor Musik, vor Musikern und vor Musikliebhabern, keinen Respekt vor Freiheit, Grundrechten und vor Menschen allgemein. Geht Sterben. Und nehmt diese verottete Looser -Partei namens „SPD“ grad mit.

Oh, wenn ich grade dabei bin: wer das hier gelesen hat möge doch bitte noch eben die Gelegenheit nutzen und diese (nicht nur für Künstler) wichtige Petition für eine GEMA-Reform mitzeichnen!

Wenn 120.000 Leute inzwischen eh schon registriert sind muss da doch noch was möglich sein! Ich mein: wie peinlich ist das denn, wenn es da noch nichtmal 6.000 Mitzeichner gibt, nach fast einem Monat! Wo sind sie denn, die kulturell interessierten und informierten? Und Engagierten? Also, bitte, die meisten wissen doch inzwischen: das geht fix und tut nicht weh. Und bitte: sagt es weiter!!!!

Mein zweites Anliegen betrifft oben erwähnte Piratenpartei. Das ist etwas aufwändiger als eine e-Petition zu zeichnen, aber nicht weniger wichtig. Die PP braucht noch sogenannte „Unterstützerunterschriften“, um auf den Wahlzettel zur kommenden Bundestagswahl zu kommen. Eine solche Unterschrift verpflichtet zu nix, niemand, der diese Unterschrift leistet muss diese Partei wählen – aber IMO ist es wichtig, auch in Augen derer, die ihr Kreuzchen am Ende wo anders machen werden/wollen, dass die PP auf dem Wahlzettel steht.

Denn allein deren Existenz – und zwar eben als ankreuzbare Alternative auf dem Zettel – bringt schon Impulse auch in die „etablierten“ Parteien, die sich bei sinkender Wahlbeteiligung einen drohenden Stimmenverlust von pessimistisch 120.000 bis optimistisch gar 500.000 Stimmen nicht mehr leisten können und deshalb einer solchen Bedrohung auch inhaltlich Rechnung tragen müssen, indem Themen, die die PP z.B. aus dem Netz in die politische Welt zu tragen vermag dort – naja, zumindest ernster genommen werden müssen und die Chance auf ein wenig Bewusstsein darüber wächst, dass man sich vielleicht doch um etwas mehr Kompetenz bemühen muss, wenn man von einer nicht mehr gerade kleinen Gruppe von Menschen noch irgendwie – oder überhaupt mal wieder – Ernst genommen werden will.

Also bitte: holt euch das entsprechende Formular, unterschreibt es und werft es so schnell wie möglich in den Briefkasten!

Zensur es ist. KiPo-Bekämpfung es nicht ist.

Und weil ich heute wenig Zeit habe und Jens das ziemlich genau so beschreibt, wie ich das auch gemacht hätte kopier ich das da einfach mal. Selber habe ich ja die Tage auch genug von diesem Kram geschrieben.

Warum es um Zensur geht

Da reiben sich gerade so viele die Hände, daß man eigendlich ein beständiges Rauschen hören müsste. Die Idee, das Thema Kinderpornografie als Popanz vorzuschicken, um das nun geplante Internet-Zensursystem einzuführen war aber auch wirklich eine richtig gute. Hat das ja zuvor mit den Themen Terrorismus und Internet-Kriminalität nicht wirklich hingehauen, kann man hier spitzenmäßig mit dem Holzhammer wedeln und Kritiker einfachst diffamieren, indem man die eigentliche Kritik ignoriert und ihnen vorwirft, sie wollten die Verbreitung von Kinderpornografie schützen. Wie schnell schon der Vorwurf zum beruflichen und gesellschaftlichen Tod führen kann, zeigte man nur wenige Wochen zuvor ja schonmal anschaulich am Exempel Tauss (der übrigens natürlich nicht im Netz „erwischt“ wurde, sondern über Handykontakte und DVDs per Post).
Aber ich schweife schon wieder – wie es durch die Wahl dieses Themas ja auch gewünscht ist – ab.
Denn das Problem, das die Kritiker haben, ist ja natürlich nicht, daß man den Zugang zu Kinderpornografie sperren will, sondern das Sperrinstrumentarium, das man dazu baut. Schaut man sich das an, merkt man schnell: Es geht nicht um Kinderpornos und wie man dagegen vorgeht. Ging es nie.
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