Ach hätt‘ ich heut bloß keine Nachrichten geguckt, dann müsste ich nicht wieder völlig genervt von unseren Politikerdarstellern sein, und ebenso von so manchem, der sich gern als Journalist sähe.
Amoklauf in einer Schule. Und wieder fällt keinem was anderes ein als irgendwas erschießen verbieten zu wollen, mal wieder irgendwelche Computerspiele am besten (denn das spielen diese Leute ja nicht, ist also für sie kein Verlust, im Gegensatz z.B. wäre das Angehen von Schützenvereinen unschön, denn dort kann man ja im Trachtenjankerl auf Stimmenfang gehen).
Von „Internetpolizei“ ist die Rede, die „gewaltbereite Jugendliche aufspüren“ soll. Von „Killerspielen, die in die gleiche Größenordnung wie Kinderpornogrphie gestellt werden“ sollen. Und davon, dass „Gesetzgebung nicht vor der privaten Haustür aufhören“ dürfe. OK, auch nichts Neues.
Ist ja auch fein, denn dann muss man sich – wie immer – nicht um die echten Ursachen kümmern, um eine Gesellschaft, die die, die es nicht packen nicht nur fallenlässt sondern noch dazu als „Sozialschmarotzer“ oder ähnliches verunglimpft und ihnen nicht mal mehr das Recht zum Bejammern ihrer Situation zugesteht, geschweige denn natürlich, Möglichkeiten aufzuzeigen, sie ändern zu können.
Dann muss man sich nicht um den inzwischen noch stärker als zu meiner Zeit gewachsenen Druck und gnadenlosere Auslese in den Schulen kümmern – bzw. hinterfragen, ob dieser von der Politik ja so eingerichteten Verhältnisse nicht vielleicht doch keine so tolle Idee gewesen sein könnten. Dann muss man nicht zugeben, dass alle „Fordern und Fördern“-Sprüche reine PR sind, was das „ö“ betrifft, in Zeiten immer weiter gekürzter oder gleich mal komplett gestrichener Etats für Jugendhäuser, Aktionen und Initiativen.
Wo bitte sind denn die Journalisten, die den Namen noch verdienen, und die den Stoibers, Merkels & Co. ihre dummen, populistischen Law & Oder-Sprüche um die Ohren hauen und sie mit der Realität konfrontieren, die mal eben garnichts mit Computerspielen, aber dafür viel mit sozialer Kälte, politischer und gesellschaftlicher Inkompetenz und einem von die Realität flüchtenden Politikern verursachte Stimmung zu tun hat, durch die immer weniger Menschen in immer engere Normen passen und die die aus dieser rausfallen keine Perspektive mehr für ihr Leben finden?
Wo sind die Journalisten, die einem Politiker, der seinen Müll in ihr Mikro seiert, einfach mal sagt: „Und diesen Schwachsinn meinen sie jetzt Ernst und soll die Antwort auf ein breites soziales Problem in unserer Gesellschaft von wenigen Gewinnern und immer mehr Verlieren sein? Das graue Zeug da zwischen ihren Ohren, benutzen sie das eigentlich auch irgendwann mal für was anderes als ihren momentanen persönlichen Vorteil oder volksverdummenden Blödsinn loszulassen? Welches Volk vertreten sie denn so als „Volksvertreter“ eigentlich? Schon mal da drüber nachgedacht?“
Aber was reg‘ ich mich auf – erstens hab‘ ich das ja mehr als einmal alles schonmal gesagt, und zweitens wird wieder nichts anderes passieren als etwas wilder Aktionismus, irgendwelche Gesetzesverschärfungen, die noch mehr Leute willkürlich kriminalisieren, während „echte“ Kriminalität immer noch nicht mehr wird, auch wenn es Medien und Politik so gerne anders hätten, und ich darf mich in einem Monat, einem Jahr, oder gleich morgen wieder fragen, warum eigentlich wieder alle ganz überrascht sind, denn letztlich ist das alles, Ursache wie Auswirkung, ein alter Hut.
Ich hab‘ sowas von die Schnauze voll von diesen ganzen dilettantischen Arschlöchern da in Politik und Medien. Wenn man die wenigstens einfach ignorieren könnte in ihren Scheinwelten da, aber das geht ja auch nicht, denn es ist ja nicht nur dummes Geschwätz, die machen ja auch noch irgendwelches Zeugs, das dann sehr reale Auswirkungen hat auf z.B. auch mein Leben. Oder eben auf das von Leuten, die nie gelernt haben, mit ihrer Wut und ihrem Frust, überhaupt nicht wahrgenommen zu werden, und wenn, dann als „Loser“, der’s am besten auch nicht anders verdient hat, anders umzugehen als gewalttätig zu werden.
Und so erwarte ich die nächsten „überraschten“ und „schockierten“ Schlagzeilen von „unverständlichen“ Taten.
Wenn der nächste Massenmörder allerdings ein Trachtenjankerl im Schrank hängen hat, dann möchte ich bitte sämtliche Trachtenumzüge verboten wissen. Und die Kundendatenbanken von „Landhaus Moden“ sofort in die Rasterfahndung überführt. Und Leute, die sich öffentlich in Tracht zeigen bitte präventiv erstmal einbuchten.
Zum konkreten Thema hat Jens inzwischen ein paar Sachen zusammengetragen, wunderbar, dann kann ich mir das ja sparen.
Und die Nachrichten in den nächsten Tagen meiden.
Ist besser für den Blutdruck.
Und senkt die Gefahr, Amok zu laufen.
Achso, und vielleicht liest ja mal einer von euch Politikern oder Journalisten den Abschiedsbrief des Typen, der da rumgeballert hat. Am besten, bevor er/sie den Mund aufmacht und irgendwelche eigenen „Überlegungen“ zum Besten gibt.
Da steht nämlich, finde ich, ziemlich deutlich und eindeutig drin, warum er das gemacht hat – und das „warum“ fragt ihr doch allenthalben, oder? Achso, rhetorische Frage, sorry dann…
Denn: Oh Wunder: es ist etwas völlig anderes als ihr interpretiert, hofft, vermutet, postuliert. Und, oh weiteres Wunder: es ist verständlich.
(bevor jetzt wer Panik kriegt: nein, nur weil ich etwas verstehe muss ich es nicht befürworten oder entschuldigen. Oder gar selber so sehen. Ich weiß, sollte klar sein. Aber ich sag’s lieber trotzdem nochmal. Nicht, dass die „Internet-Polizei“ auf komische Gedanken…)
P.S.: an die, die die Veröffentlichung dieses Briefes Scheiße finden, weil sie „Glorifizierungen“ fürchten, oder „Nachahmer“: Dann müsste man auch „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe verbieten, um Selbstmord als Möglichkeit, aus jugendlicher Depression zu fliehen, als „Beispielhaft“ auszuschließen. Aber so wie die große Mehrheit nunmal Alternativen auch zu dieser „Möglichkeit“ findet, so findet eine Mehrheit auch Alternativen zu Amokläufen oder Gewalt im Allgemeinen.
Gegen Dinge allerdings, die versucht werden aus der Wahrnehmung zu nehmen, kann man sich nicht frei entscheiden, denn meine Entscheidungen kann ich nur an dem ausrichten, was ich auch wahrnehmen kann. Deshalb hat dieser Typ auch so entschieden: er konnte keine Alternative, keine Zukunft und keine „Verbesserungsmöglichkeit“ wahrnehmen, um sich für diese und gegen die Destruktion zu entscheiden. Ja, teils liegt das an seiner eigenen Wahrnehmung, die ihn blind sein ließ gegenüber Alternativen. Aber teils liegt sowas auch an einer Gesellschaft und deren „Leitfiguren“, dass diese Alternativen nicht mehr als erreichbar gelten – oder gar als nicht (mehr) vorhanden…
bembelkandidat meint dazu:,
22. August, 2006
@ 16:19
wichtige themen, die du da ansprichst! angst verstärken, schüren, um dahinter all‘ die sauereien zu verstecken, worüber sich die leute sonst vielleicht aufregen würden. gleichzeitig die überwachung ausbauen, um, ja um wen eigentlich besser kontrollieren zu können…???!!!
hm, finde mal wieder die trackback-uri nicht, sorry, daher manuell:
„… schon mal überlegt, wer wirklich überwacht werden soll? wer letztlich beobachtet wird? richtet sich das geschrei nach mehr überwachung wirklich (nur) gegen die tatsächlichen und vermeintlichen terroristen???… „
http://www.iminform.de/blog/bembelkandidat/2006/cctv-wollt-ihr-die-totale-ueberwachung/
bembelkandidat meint dazu:,
22. August, 2006
@ 16:20
grmpf, nach dem kommentieren erscheint die uri brav unter dem kommentar…
joe_f meint dazu:,
22. August, 2006
@ 16:37
Mit diesem ganzen Terrorgedöns verbindet mich ja eine, äh, besondere Erfahrung, letztes Jahr im Wahlkampf. Da tingelte dieser Binninger, der letztens die „sinnvolle“ Idee hatte, so genannte „Rail Marshalls“ einzusetzen, durch seinen Wahlkreis im Landkreis Böblingen. An einem Tag hatte er den Schönbohm im Schlepptau, und ich schrieb für mein Provinzblatt darüber. Schönbohm erklärte, er wisse nicht, wo die Grenze ist, Binningers Meinung war ebenfalls, nun ja, vorgefasst. Diese Leute lassen kein bisschen mit sich reden und sind so scharf darauf, die Demokratie besser heute als morgen anzuschaffen. Meines Erachtens hat das schon krank- und zwanghafte Züge. Erklären kann ich mir das nicht. Was ist denn bitte so geil daran, Bürgerrechte abzuschaffen? Mir kommt immer wieder der Gedanke: Der Konservatismus muss dringend auf die Couch. Am besten lebenslang.
Sven meint dazu:,
22. August, 2006
@ 17:07
Ja, bembel, und bei mir in der Moderation – mein SpamKarma ist recht empfindlich justiert, weil ich lieber einen guten Kommentar eine Stunde später per Hand freischalte (und ihn damit auch noch gleich mitbekomme
) als dreißig Spams per Hand aus onlinestehenden Kommentaren rauszupopeln
(Aber ich werd‘ mal ins Template gehen und einen Satz schreiben, der um Geduld bittet, falls ein Kommentar nicht gleich da ist, damit man wenigstens weiß, dass es nicht an einem selber liegt, wenn man was abschickt und das nicht aufzutauchen scheint…)
(so, erledigt
)
Sven meint dazu:,
22. August, 2006
@ 17:37
joe, das erklär‘ ich mir ganz leicht, das ist ganz einfach die Angst alter Männer vor Kontrollverlust. Am Stammtisch heißt das „Wo kämen wir denn dahin, wenn jeder machen könnte was er will“ oder die „Hottentotten“ werden beschworen.
Das sind psychologisch gesehen ganz ganz arme Schweine, deren eigenes Leben völlig Angst- und damit Fremdbestimmt verläuft, Angst vor Veränderung, Angst letztlich vor dem Tod, die bis in alltäglichste Kleinigkeiten hineinreicht. Die Reaktion auf diese Angst zeigt sich in psychotischem Verhalten („Mehr desselben“ – hier: Mehr Kameras, mehr Kontrolle, usw.), das natürlich nichts nützt sondern (und deshalb) damit den Wunsch nach „noch mehr“ wachsen lässt (sonst wär’s ja nicht psychotisch) – zu beobachten ist dieses Muster z.B. auch bei Ko-Abhängigkeiten Marke „Wenn ich mich nur genug anstrenge, dann ändert sich…“ …natürlich garnichts, sondern sorgt eben gerade dafür, dass alles so bleibt oder schlimmer wird, worauf man sich noch mehr anstrengt, es noch schlimmer wird, usw…
So wie Terroristen sich freilich, wie kleine Kinder, ebenfalls bestätigt fühlen, wenn die Reaktion der Elterninstanzen eine sofortige Aufmerksamkeit ist (denn es ist wurscht, ob die Aufmerksamkeit „positiv“ oder „negativ“ ist – wer mit Kindern zu tun hat, weiß das). Denn auch das Verhaltensmuster von Terroristen weist psychotische (wie auch neurotische) Muster auf bzw. braucht solche Hintergründe.
Mit Menschen, die in solchen psychotischen Mechanismen gefangen sind, kann man nicht „reden“, solange sie nicht selbst (und vor sich selbst) erkennen/akzeptieren, dass sie da ein Problem haben, dass ihnen letztlich keiner außer ihnen selbst lösen kann – erzähl‘ nem Alki, der sich mitten im Suchtverhalten befindet, dass er Alkoholiker ist….
Nur ist ein Grund halt noch lange keine Entschuldigung. Und ob ich beruhigter bin, zu wissen, dass da auf allen Seiten Psychotiker und Neurotiker sitzen weiß ich auch nicht so recht… dein Gedanke mit der Couch ist da schon ganz treffend. *schluck*