Archiv der Kategorie: Politik

Things to come

Wieder mal ein völlig unsortierter Quer-Beet-Eintrag.

Erfahrungsgemäß ist uns England ja immer ein paar Jährchen voraus. Somit können sich Eltern hierzulande schonmal drauf einstellen, dass sie es sind, die als nächstes ins Visier von Politikern geraten werden, die sämtliche gesellschaftliche Gestaltungskraft und Phantasie verloren haben vor lauter Lobbyverstrickungen und Verantwortungslosigkeit.

Spätestens, wenn sich der Sozialschmarotzer und der Ausländer irgendwann als Buhmann und Ablenkung vom eigenen Versagen abgenutzt haben. Mal sehen, wann einer von der Laiin dann auch plötzlich einfällt, Eltern auf Volksliedkundekurse zu schicken. Lässt sich doch bestimmt prima verbinden mit einer neuen Popanzdiskussion über „Leitkultur“ und „bildungsferne Unterschichten“ oder so. Womit dann Sozialschmarotzer und Ausländer nicht ganz als Mittel zum Zweck verloren gehen, wäre ja auch schade um die schöne jahrelange Arbeit, diese Bilder aufzubauen…

Dass soziale Inkompetenz nicht unbedingt eine Domäne sogenannter „Prekariat-Schichten“ sein muss, sondern sich durchaus auch (oder gerade?) in Gefilden wiederzufinden scheint, in denen mit einer Menge Geld gespielt (oder verbrannt) wird, beweist mir derzeit der Fall „StudiVZ„, der mich nebenbei an so manche Web-Seifenblasengeschichte des „New Economy“-Desasters vor einigen Jahren erinnert.

Bildung im Sinne von „Wissen“ oder „Information“ macht jemanden in meinen Augen halt noch lange nicht gebildet – sondern die Kompetenz, dieses Wissen auch in sein alltägliches Denken und Handeln zu integrieren.

Den „bildungsfernen Schichten“ kann man allerdings wenigstens zu Gute halten, dass sie dazu kaum eine Chance bekommen, weil Chancengleichheit hier zu Lande halt nur ein schönes Wort auf dem Papier ist (womit wir wieder bei unseren tollen inkompetenten Politikern wären, die ihren Job nicht machen). Diese Ausrede hat jemand wie jener Herr Dariani allerdings nicht, und wenn ich mir so anschaue, was der so treibt bekomme ich da doch erhebliche Zweifel, was die sozialen Kompetenzen von Leuten, die gern zu irgendwelchen „Eliten“ gezählt werden, betrifft. Zumindest von dem Bild ausgehend, das sich mir da als Außenstehenden so aufdrängen muss.

Wobei bei dieser Geschichte die Person ja nicht wirklich wichtig ist, ja, als Beispiel für die Tendenz mancher Leute, „Öffentlichkeiten“ schlicht zu unterschätzen und unüberlegt in jener zu agieren, aus welchen Gründen (Selbstüberschätzung, Realitätsferne, Ungeschick oder was auch immer) auch immer. Interessant ist es, zu sehen, dass manche „Geschäftsmodelle“, die vor Jahren einer ganzen Branche eine Krise einbrachte, die mehr Geld verbrannt hat als gesund gewesen wäre, auch heute noch gefahren werden. Wobei das eigentlich ja auch nicht wirklich verwunderlich ist, denn die in Geld umsetzbaren „Werte“ des Internetz sind nunmal auch heute noch: Aufmerksamkeit und Daten. Womit wir bei der Frage wären, ob es wirklich egal ist, welche Art von Aufmerksamkeit man so hat…

Und um nichts als das letztere scheint es da zu gehen, und irgendwer wird schon einen Haufen Geld hinlegen, um die Daten der Leute, die ihre Daten da abgeliefert haben, kaufen und verwerten zu können. Wenn dabei aber versucht wird, das Märchen einer „Community“, am besten irgendwo im Hinterhof gegründet, aus Idealismus und Selbstlosigkeit, zu fahren allerdings ist heutzutage, also nach Jahren entsprechender ähnlicher Modelle, wohl nur noch unter „lächerlich“ zu verbuchen.

Wenn mir sowas unehrlich vorkommt und ich Unehrlichkeit scheiße finde, auch (und gerade) in „geschäftlichen“ Fragen, dann natürlich ist das meine persönliche Meinung auf Grund meiner persönlichen Wertmaßstäbe. Andere mögen da zynischer drauf sein und sagen „Das ist doch völlig normal und üblich“ – das mag sogar sein, aber nur weil etwas „üblich“ ist muss es mir nicht gefallen. Wie es mir ja auch nicht gefällt, dass sowas „üblich“ ist. Und, unter Umständen, mag es weit mehr Leute geben, die sowas auch scheiße finden als Leute, die das als „normal“ nicht weiter tangiert. Das zu berücksichtigen hielte ich nach wie vor für klug, wenn man nach wirklich langfristigem und nachhaltigem wirtschaftlichem Erfolg strebt. Aber wer will das schon, heutzutage…

A propos Bildung und Zukunft:

Derzeit werden in England kleine Traditions-Unis geplättet, man fängt mal bei diesen brotlosen Musikern an, Karans Ex-Uni, das „Dartington College of Arts“, ist da scheinbar in die Fänge von BWLern geraten, und wenn die Rechenschieber mal über Kunst und Kultur herfallen bleibt erfahrungsgemäß nicht mehr viel übrig.

Allerdings regt sich Widerstand, auch wenn der etwas unkoordiniert ist – sowas haben die 20-jährigen heutzutage halt nicht mehr gelernt, wie es scheint. Aber wer weiß, „learning by doing“ ist auch eine effiziente Lernmöglichkeit, und so drücke ich den Studis und Profs dort die Daumen – vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Karan hat den Leuten, die sich um das Dartington College of Arts sorgen mal ein Blog eingerichtet, auf dem das aktuelle Geschehen dokumentiert wird.

Wie gesagt: erfahrungsgemäß ist uns England ja immer ein bis zwei Jährchen voraus – obwohl, in manchen Punkten bin ich mir da garnicht mehr so sicher

Nachtrag

Einmal hat Karan mir noch ein Wien-Foto geschickt, das meine Haltung zu Mozart recht gut wiedergibt (nach dem „weiterlesen“-Link).

Dann – den unten erwähnten Song auf meinem MySpace-Profil habe ich ausgetauscht mit einer Aufnahme „live aus dem Proberaum“, so dass tatsächlich jetzt auch mal mehr Schlagzeug von mir zu hören ist.

Das vierte Lied auf der MySpace-Seite der Singvøgel wollen wir immer mal wieder mit aktuellen Probemitschnitten befüllen, sozusagen als Appetithäppchen – der Song, der da im Moment zu hören ist (Haut an Haut) ist z.B. ein komplett Neuer, den gibt’s dann auf dem nächsten Konzert das erste mal live :-)

Nachtrag: ach was, ich knall‘ ihn hier einfach auch noch mal hin. Wie gesagt, ist ein Probemitschnitt, keine superdupergemischte Studioaufnahme :-)

Sonst noch was?

Achso, nein, auf irgendwelchen Dächern hockende irgendwelche Leute interessieren mich nicht, auch wenn unsere tollen Profimedien auf diese Trollerei anspringen wie Motten auf’s Licht. Aber die haben ja scheint’s sonst nix zu tun, jedenfalls, wenn ich so sehe, über was da so berichtet wird, in epischen Ausmaßen – und über was nicht.

Und Arbeitgeberpräsidenten oder sowas, die wieder nur dieselben Märchen erzählen wie seit Jahren, interessieren auch nicht mehr, denn letztenendes passiert da auch nichts anderes wie in den letzten Jahren auch schon.

OK, bei den Amis haben die Demokraten einen Sitz mehr im Kongress, das ist erfreulich. Mal schaun, was sie damit machen. Aber wer darüber genaueres wissen will schaut am besten eh in amerikanische Blogs rein, da kriegt man wenigstens was mit.

Oder deutsche Blogs, denn von den Nazi-Polizisten habe ich natürlich noch nix in unserem Qualitätsfernsehn gehört, sowas find‘ ich in Blogs.

Denn was die Qualitätsmedien aus einfachen Sachverhalten noch verdrehen grenzt schon langsam ans Lächerliche.

Nachtrag2: Was ein bekanntes bigottes Schmierblatt von international agierenden Hilfsorganisationen mit durchaus prominenten Schirmherren und Unterstützern hält, denen es ein Anliegen wäre, dem (auf Grund wessen moralinsaurer „Berichterstattung wohl) etwas angeschlagenen BILD von Deutschland in „irgendwelchen moslemischen“ Ländern etwas positives entgegen zu setzen ist noch das am wenigsten überraschende.

Business as usual also. Bis die Tage…

Nachtrag3: derweil werden wieder Leute abgeschoben, weil in entmenschlichten Bürokratenhirnen „das Recht“ es so will. Also auch hier alles wie immer.

Nachtrag weiterlesen

Widerspruch gegen die Weitergabe amtlicher Daten über das Internet

Aus unseren Gemeindenachrichten hier
(Gemeindenachrichten Keltern, 20.10.2006):

Meldeportal – Widerspruchsrecht der Einwohner

Das Innenministerium Baden-Württemberg hat aufgrund §29a Absatz 2 Meldegesetz (MG) eine zentrale Stelle der Meldebehörde in Baden-Württemberg bestimmt, die Melderegisterauskünfte erteilt. Dieses Meldeportal nimmt seinen Betrieb ab 01.01.2007 auf.

Die Melderegisterauskünfte über dieses zentrale Meldeportal werden nur im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit an „Behörden, öffentliche und nicht öffentliche Stellen“ erteilt. Der Datenumfang der kostenpflichtigen Melderegisterauskunft an nicht öffentliche Stellen beschränkt sich auf Familien-. Vornamen und Anschriften. §32a Absatz 2 MG räumt den Betroffenen (Bürger/innen und Einwohner) explizit ein Widerspruchsrecht ein, so dass Melderegisterauskünfte an nicht öffentliche Stellen über dieses Meldeportal nicht automatisiert über das Internet erfolgen. Dieses Widerspruchsrecht gilt nicht für Melderegisterauskünfte, die von nicht öffentlichen Stellen auf sonstigem Anfrageweg (z. B. schriftlich) direkt an die Meldebehörde gestellt werden.

Bitte melden Sie sich im Rathaus (…), Bürgerbüro oder bei der örtlichen Verwaltungsstelle (…), wenn eine Melderegisterauskunft (zu Ihrer Person) nicht im Internet über dieses zentrale Meldeportal erfolgen soll. Ein möglicher Widerspruch wirkt sich dauerhaft auch für die Folgejahre aus.

Leider verkauft das Land Baden-Württemberg die Daten seiner Bürger nicht nur über das Internet an Hinz und Kunz, aber zumindest letzteren Weg kann und sollte man unterbinden. Damit man wenigstens auf den kleinen Inseln, wo das noch möglich ist, Herr über die eigenen Daten bleibt.

Nachtrag: passend dazu…

Terror fürs Wirtschaftswachstum

Juhuu, endlich haben wir unsere eigenen Terroristen, endlich Sondersendungen, Überschriften wie „Der Terror ist in Deutschland angekommen“ zieren die Gazetten, das ganze auch noch rechtzeitig zum Ende der politischen „Sommerpause“, so dass man auch dort ein Thema hat, auf das man sich stürzen kann, um ja nicht in die Verlegenheit zu kommen, etwa dringende Probleme wie Kinderarmut (die ja auch „nur“ ein Symptom für viel größere Probleme ist), eine boomende Selbstbedienungs-Wirtschaft, die an der Bevölkerung völlig vorbeigeht, das Bildungs-Desaster und was da sonst noch so an kleinen und großen Aufgaben dräut angehen zu müssen.

Oder zugeben zu müssen, dass man weder Plan oder Interesse hat, da ran zu gehen, letzteres auch, weil man unter Umständen schon an der Karriere nach der Karriere bastelt?

Denn irgendwie stimmt es schon komisch, wenn Ex-Politiker plötzlich in Vorständen oder Aufsichtsräten von Konzernen oder Lobbyverbänden auftauchen, wie als rein zufällig herausgegriffenes aktuelles Beispiel ein Herr Schilly, seiner Zeit zufällig derjenige, der den E-Pass einführte und nun zufällig in den Aufsichtsräten von Byometric Systems AG und SAFE ID Solutions sitzt – Firmen, die im Bereich Iriserkennung und Hard- und Softwareproduktion für biometrische Reisepässe tätig sind (via). Ein Schelm, der sich was Böses dabei denkt…

Jedenfalls haben „wir“ endlich eigene Terroristen, und endlich können die „Sicherheitsexperten“ und vor allem jene, die sich dafür halten wieder mit ihren Wünschen und Begehrlichkeiten hausieren gehen, kräftig unterstützt von Medien (nicht alle, es gibt positive Ausnahmen, die genauer hinschauen, was da – auch von den Kollegen – plötzlich unreflektiert gefordert wird), die sich überschlagen mit neuen Spekulationen (denn irgendwas fundiertes wissen die ja auch nicht wirklich) und Bedrohungsszenarien, nach denen morgen schon der Wochenmarkt in Dingdongfliesingen oder Hinterwaldklabusterungen Ziel eines Massakers sein könnte, dem Tausende, nein Millionen zum Opfer fallen werden.

Und so ruft alles nun nach noch mehr Überwachungskameras (Ja wie, haben nicht die, die es schon gibt, zu dem Fahndungserfolg geführt, wie die Spindoctors uns gerne Glauben machen würden? Mal davon ab: haben sie nicht, denn der Typ wurde ja nicht von Kameras sondern auf Grund eines Tipps des libanesischen Geheimdienstes gefasst. Geht aber grade wieder unter, natürlich. Und was sollen die verhindern??? Selbstmordattentäter, die sich denken „Mist, wenn ich mich dort hinten sprenge kriegen sie mich, weil sie mich dann auf Band haben…“??), natürlich sollen alle möglichen Daten nun länger und vor allem schön zentral archiviert werden, am besten digital, so dass noch in zwei Jahren das Material biometrisch durchforstet werden kann und Finanzämter Fahnder feststellen können, wo jeder, dessen Foto eingespeist wird, zu einem bestimmten Zeitpunkt war (man kann das ja dann mit den Einlogdaten des Handys abgleichen und mit den Erfassungen der Kameras des Mautsystems oder so) – wer nichts zu verbergen hat, dem sollte das ja nix ausmachen, gelle?

Im Radio faseln sie sogar völlig schmerzbefreit über bewaffnete Zugbegleiter – juhuu, der erschießt dann die Kofferbombe, die irgendwo in einem Bahnhof rumsteht? Oder soll der eine jener häufigen und gefährlichen Zugentführungen verhindern (Szenario „Hey, Lokführer, Du fährst jetzt nicht nach München sondern nach Dubai, sonst ramm‘ ich dir den Mitropa-Plastiklöffel ins Kreuz!“)?

(Das einzig beruhigende an diesem Kasperletheater ist ja, dass dieser ganze Dreck sowieso nix bringt und auch nicht funktioniert, weil die, die das Zeug technisch „realisieren“ noch dilettantischer sind als die, den Murks vorantreiben)

Mal schaun, da wird’s doch mal wieder Zeit für die Forderung nach Bundeswehr im Inland, oder? Wo bleibt das denn eigentlich, haben die das aus Versehen vergessen?

Warum eigentlich nicht gleich das blöde Grundgesetz endlich abschaffen, das Kriegsrecht ausrufen, Ausgangssperre ab 18 Uhr – ach nein, ab 20 Uhr, bis dahin muss ja konsumiert werden für das Wirtschaftwachstum der oberen 2%, sorry ich vergaß – danach aber natürlich alles nach Hause und brav Werbung gucken, für den nächsten Tag.

Habt ihr Flachhirne eigentlich mal drüber nachgedacht, dass ihr genau das macht, was die Terroristen wollen, mit eurer Hosenscheißerei? „Ui“, denken die sich da, „das macht ja richtig Eindruck was wir da tun“, denken die sich da. „Ui, lass uns doch noch einen draufsetzen“, denken die sich da. Das sind nämlich ähnlich Hirnsedierte wie ihr. Die denken da ähnlich wie ihr. Überlegt mal, wie geil ihr es findet, euere eigenen Fressen in den Medien zu sehen, egal welche und wurscht warum. Gell? Und die erstmal!

Hirnsedierten ein Übermaß an Aufmerksamkeit zukommen zu lassen aber lässt die sich erst richtig wichtig fühlen, und auch völlig der Realität entgleiten. Kann man ja schön an euch selber sehen.

Einen Scheiß geb‘ ich auf die „Terroristen“. Wir haben echte Probleme hier im Land. Kriegt endlich eure korrupten Ärsche hoch! Bevor euch von ganz anderer Seite in ebenjene getreten wird, dann, liebe Leute, ist die Kacke aber wirklich mal am dampfen!

Ach ich rech mich uff – ich darf echt keine Nachrichten mehr gucken oder hören. Krieg ich bloß so’nen Hals von.

Nachtrag: Die (sowohl die wie jene) sollten lieber mal „˜nen guten Film schauen, vielleicht kapiern die ja dann mal worum’s geht im Leben:

7 Kommentare

  1. bembelkandidat meint dazu:,

    22. August, 2006
    @ 16:19

    wichtige themen, die du da ansprichst! angst verstärken, schüren, um dahinter all‘ die sauereien zu verstecken, worüber sich die leute sonst vielleicht aufregen würden. gleichzeitig die überwachung ausbauen, um, ja um wen eigentlich besser kontrollieren zu können…???!!!
    hm, finde mal wieder die trackback-uri nicht, sorry, daher manuell:
    „… schon mal überlegt, wer wirklich überwacht werden soll? wer letztlich beobachtet wird? richtet sich das geschrei nach mehr überwachung wirklich (nur) gegen die tatsächlichen und vermeintlichen terroristen???… „
    http://www.iminform.de/blog/bembelkandidat/2006/cctv-wollt-ihr-die-totale-ueberwachung/

  2. bembelkandidat meint dazu:,

    22. August, 2006
    @ 16:20

    grmpf, nach dem kommentieren erscheint die uri brav unter dem kommentar…

  3. joe_f meint dazu:,

    22. August, 2006
    @ 16:37

    Mit diesem ganzen Terrorgedöns verbindet mich ja eine, äh, besondere Erfahrung, letztes Jahr im Wahlkampf. Da tingelte dieser Binninger, der letztens die „sinnvolle“ Idee hatte, so genannte „Rail Marshalls“ einzusetzen, durch seinen Wahlkreis im Landkreis Böblingen. An einem Tag hatte er den Schönbohm im Schlepptau, und ich schrieb für mein Provinzblatt darüber. Schönbohm erklärte, er wisse nicht, wo die Grenze ist, Binningers Meinung war ebenfalls, nun ja, vorgefasst. Diese Leute lassen kein bisschen mit sich reden und sind so scharf darauf, die Demokratie besser heute als morgen anzuschaffen. Meines Erachtens hat das schon krank- und zwanghafte Züge. Erklären kann ich mir das nicht. Was ist denn bitte so geil daran, Bürgerrechte abzuschaffen? Mir kommt immer wieder der Gedanke: Der Konservatismus muss dringend auf die Couch. Am besten lebenslang.

  4. Sven meint dazu:,

    22. August, 2006
    @ 17:07

    Ja, bembel, und bei mir in der Moderation – mein SpamKarma ist recht empfindlich justiert, weil ich lieber einen guten Kommentar eine Stunde später per Hand freischalte (und ihn damit auch noch gleich mitbekomme ;-) ) als dreißig Spams per Hand aus onlinestehenden Kommentaren rauszupopeln :-)

    (Aber ich werd‘ mal ins Template gehen und einen Satz schreiben, der um Geduld bittet, falls ein Kommentar nicht gleich da ist, damit man wenigstens weiß, dass es nicht an einem selber liegt, wenn man was abschickt und das nicht aufzutauchen scheint…)

    (so, erledigt :-) )

  5. Sven meint dazu:,

    22. August, 2006
    @ 17:37

    joe, das erklär‘ ich mir ganz leicht, das ist ganz einfach die Angst alter Männer vor Kontrollverlust. Am Stammtisch heißt das „Wo kämen wir denn dahin, wenn jeder machen könnte was er will“ oder die „Hottentotten“ werden beschworen.

    Das sind psychologisch gesehen ganz ganz arme Schweine, deren eigenes Leben völlig Angst- und damit Fremdbestimmt verläuft, Angst vor Veränderung, Angst letztlich vor dem Tod, die bis in alltäglichste Kleinigkeiten hineinreicht. Die Reaktion auf diese Angst zeigt sich in psychotischem Verhalten („Mehr desselben“ – hier: Mehr Kameras, mehr Kontrolle, usw.), das natürlich nichts nützt sondern (und deshalb) damit den Wunsch nach „noch mehr“ wachsen lässt (sonst wär’s ja nicht psychotisch) – zu beobachten ist dieses Muster z.B. auch bei Ko-Abhängigkeiten Marke „Wenn ich mich nur genug anstrenge, dann ändert sich…“ …natürlich garnichts, sondern sorgt eben gerade dafür, dass alles so bleibt oder schlimmer wird, worauf man sich noch mehr anstrengt, es noch schlimmer wird, usw…

    So wie Terroristen sich freilich, wie kleine Kinder, ebenfalls bestätigt fühlen, wenn die Reaktion der Elterninstanzen eine sofortige Aufmerksamkeit ist (denn es ist wurscht, ob die Aufmerksamkeit „positiv“ oder „negativ“ ist – wer mit Kindern zu tun hat, weiß das). Denn auch das Verhaltensmuster von Terroristen weist psychotische (wie auch neurotische) Muster auf bzw. braucht solche Hintergründe.

    Mit Menschen, die in solchen psychotischen Mechanismen gefangen sind, kann man nicht „reden“, solange sie nicht selbst (und vor sich selbst) erkennen/akzeptieren, dass sie da ein Problem haben, dass ihnen letztlich keiner außer ihnen selbst lösen kann – erzähl‘ nem Alki, der sich mitten im Suchtverhalten befindet, dass er Alkoholiker ist….

    Nur ist ein Grund halt noch lange keine Entschuldigung. Und ob ich beruhigter bin, zu wissen, dass da auf allen Seiten Psychotiker und Neurotiker sitzen weiß ich auch nicht so recht… dein Gedanke mit der Couch ist da schon ganz treffend. *schluck*

Politischer Winkeladvokatismus mit der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige

ibusiness schreibt über den von der großen Koalition eingebrachten Änderungsantrag zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige:

In einer Nacht- und Nebelaktion hat die Fraktion der CDU/CSU und SPD am 30.Mai einen Änderungsantrag für das „˜Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende‘ eingebracht, nach dem langjährigen Selbstständigen die gerade erst eingeführte Option zu einer freiwilligen Arbeitslosenversicherung von heute auf morgen gestrichen wird. „Eine fiese Masche“ nennt sogar eine Regierungssprecherin dieses Vorgehen.

Und tatsächlich scheinen „unsere Volksvertreter“ zu glauben, sie müssten so manchem Gebaren gewisser Wirtschaftszweige mit Kleingedrucktem und verklausuliertem Hintenrum Konkurrenz machen: Da wird schnellstens ein „Änderungseintrag“ eingebracht, der so kurzfristig wirksam werden soll, dass keinerlei Reaktionszeit möglich ist.

Laut diesem soll die Versicherungsoption nur noch Selbstständigen offen stehen, die sich nach dem 1.1.2004 selbstständig gemacht haben, alle anderen (auch ich, der ich mir das noch ausrechnen wollte, wie ich das vielleicht hinbekomme, immerhin hätte ich dazu noch ein Weilchen Frist gehabt) schauen in die Röhre – von gestern auf heute.

Der Witz dann noch dazu: eine Frist, in der ich mich doch noch schnell hätte anmelden können, läuft am Tag „vor der dritten Lesung dieses Gesetzes“ aus. Diese dritte Lesung findet heute statt, also am Tag der Änderung – was bedeutet: geht die Änderung durch, würde es nicht mal was nützen, heute noch schnell einen Antrag zu stellen. Da müsste ich schnell mal in die Zeitmaschine hüpfen und gestern noch kurz auf’s Amt rennen. Für die anderen gilt die Deadline großzügigerweise bis zum Ende diesen Jahres.

Ja geht’s noch? Sind wir jetzt hier in der Politik glücklich auf Dialer- und Sternchentextniveau angekommen?

OK, damit zeigt diese Regierung mit ihrer Politik (wieder) ihr nicht vorhandenes Interesse an ihren theoretischen Auftraggebern (die Bürger), von wegen „Förderung von Eigeninitiative“ und sowas, wieder geht es gegen den Mittelstand, der noch aus Unternehmern besteht und nicht nur aus angestellten, austauschbaren und manchmal nicht mal branchenspezifischen oder -interessierten Geschäftsführern oder Vorstandsmanagern (oder noch schlimmer: Bankern), die meist vom echten „Geschäft“ eines Betriebes so weit entfernt stehen, dass ein Überleben manchen Betriebes manchmal nur ein Zufall sein kann.

So, wie es wohl Zufall sein muss, wenn diese Politik mal aus Versehen etwas für den Bürger beschließt und nicht gegen ihn. Aber, wie man sieht, solche Zufälligkeiten können zumindest in der Politik sehr schnell korrigiert werden. Soll nochmal wer sagen unsere „Volksvertreter“ seien zu langsam und würden „Fehler“ nicht schnell und unbürokratisch revidieren können – und zwar so, dass dem Bürger keinerlei Handhabe bleibt, wenigstens „auf die Schnelle“ noch irgendwie reagieren zu können. So dass ibusinees denn auch das Fazit zieht:

[…] Was im Klartext heißt: Seit gestern ist für langjährige Selbstständige der Zug für die freiwillige Weiterversicherung höchstwahrscheinlich abgefahren. […]

Nachtrag: Achso, und bei dieser ganzen manipulativen Winkelzieherei machen die Medien natürlich wieder mal willig mit. Ich will einfach nicht glauben, dass das keiner merkt, so durchsichtig ist das, was z.B. Spon da macht. Oder greift da wirklich eine umfassende Grundverblödung um sich???

Nachtrag: akademie.de rät dazu, auf die Verfassungswidrigkeit dieses Vorgehens zu bauen und auf jeden Fall doch noch einen Antrag zu stellen.

15 Kommentare »

  1. serotonic meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 15:52

    Wie bitte? Unfassbar! Ich persönlich habe da noch Glück und bin im Raster, aber was ist das denn bitte für eine Handhabe? Nicht, dass es mich wundern würde … aber ein bisschen rasend macht mich das jetzt schon.

  2. Sven meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 16:55

    Ja, allein schon dass man sich darüber inzwischen schon nicht mehr wundern muss ist auch etwas, was einen rasend machen kann…

  3. logog meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 17:49

    Naja, dafür kannst du demnächst mit nur 10.000 Euro eine GmbH anmelden. Was bei den jetzt schon im Europavergleich deutlich unterkapitalisierten deutschen Gesellschaften natürlich absolut voll im Trend liegt. Aber nach Ich AG und der Anmeldung einer Ltd. in GB natürlich wieder eine 1a-Möglichkeit für Jungunternehmer sich haltende Selbstmordkandidaten Roulette zu spielen.

  4. schluesselkind meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 17:59

    Na, die 10.000 Euro GmbH kommt aber frühestens Anfang 2008. Sooo schnell geht das nicht. Was die Sache mit der Arbeitslosenversicherung für Selbständige betrifft – was will man von Politikern erwarten, die allen Ernstes Null-Euro-Jobs propagieren. Ist ja erzieherisch sicher sehr wertvoll, dass die Hartz-IV-Bezieher jeden Tag arbeiten sollen, aber merken die nicht, dass sie damit wieder andere „reguläre“ Jobs vernichten? Sind wirtschaftliche Zusammenhänge wirklich so kompliziert?

  5. Karan meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 19:21

    Achdugroßermist.

    So langsam werde ich nicht nur sauer, sondern stinkewütend. Und allmählich habe ich das Gefühl, daß ich mit dieser Wut was anderes machen will als sie nur hier in die Tasten zu hämmern.

    Hat irgendwer „˜ne konstruktive Idee, sonst grabe ich jetzt mal ein paar Pflastersteine aus…

  6. Sven meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 19:42

    Ideen gibts -> hier… :-D

  7. MMarheinecke meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 22:59

    Konstruktive Ideen habe ich leider keine, aber das paßt perfekt zur zur „Stallpflicht für Langzeitarbeitslose“ (Wer Gemeinde oder Landkreis verläßt, ohne das dies von Arbeitsvermittler genehmigt ist, kann alle Ansprüche verlieren) und zur Obdachlosigkeit als Strafe für dreimaliges „Drücken“ innerhalb eines Jahres (Wer dreimal Spargelstechen oder Hundekoteinsammeln verweigert, kriegt künftig keinen Cent Arbeitslosengeld II mehr – auch nicht für Miete und Heizung.)
    Es ist m. E. fraglich, ob die „Harz IV“ Gesetzgebung überhaupt verfassungsgemäß ist.

    Wer Gemeinde oder Landkreis verläßt, ohne sich bei seinem »Arbeitsvermittler« abzumelden, verliert all seine Ansprüche. Die Daumenschrauben werden stufenweise angezogen: Bei der zweiten »Pflichtverletzung« werden die Bezüge auf ein Drittel gekürzt, bei der dritten komplett gestrichen. Diese Bestimmungen stammen weder aus einer Dienstvorschrift des großdeutschen Reichsarbeitsdienstes noch aus George Orwells »1984«. Sie werden heute vom Deutschen Bundestag beschlossen und stehen im Entwurf zum »Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende«.

  8. MMarheinecke meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 23:01

    (Der letzte Absatz ist ein Zitat aus der „Jungen Welt“ online, die ich sonst eher ablehenend zitiere.)

  9. marcc meint dazu:,

    1. June, 2006
    @ 23:28

    Ich bin inzwischen der Meinung, dass sie die Arbeitslosenversicherung für Arbeitnehmer nicht rechnet.

    Um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben muss man 12 Monate einzahlen. Nach zwei Jahren hat man Anspruch auf die maximale Unterstützungsdauer von 12 Monaten ALG I. Dann ist ALG II gleich für alle.

    D.h. man könnte den Arbeitgeberbeitrag ausbezahlen und der Arbeitnehmer legt das Geld an. Wenn man das 40 Monate schafft, hat man (Single an der Bemessungsgrenze von 5250 Euro brutto) die Summe (27600 Euro) zusammen (60% vom Durchschnittsnetto der letzten 12 Monate) die man verteilt auf 12 Monate bekommt. (Ich bin jetzt nicht der Steuerkünstler, ich habe nur ich eine Internetberechnung genommen Steuerklasse 1, keine Kinder und keine Abzüge angenommen.)

    Dennoch ist bei Nacht und Nebel ein Gesetz durchpeitschen nicht vertrauenserweckend.

  10. Schluesselkind meint dazu:,

    2. June, 2006
    @ 14:34

    Besonders bitter ist, dass dieses und viele andere Gesetze von Leuten gemacht werden, die nie im Leben auch nur im entfernstesten damit zu tun haben werden, weil sie sich jahrzehntelang in einem hermetisch abgeschlossenen Elfenbeintürmchen hochgesessen und und dabei eine kuschelweiche Absicherung für alle Lebensrisiken erdient haben. Neulich gab es in „Hart aber fair“ (heisst diese Sendung so? – habe nur zufällig reingezappt) eine grandiose Diskussion zum Thema, warum Abgeordnete für ihre Auslagen eine Pauschale bekommen und andere arbeitende Kreise der Bevölkerung, z.B. Selbständige, jeden Cent schriftlich nachweisen müssen. Die felsenfeste Überzeugung, was einem für diese unglaublich verantwortungsvolle und aufreibende Tätigkeit eines Abgeordneten zusteht, steht fern jeglicher Realität. Wir leben auf unterschiedlichen Planeten.

  11. Sven meint dazu:,

    2. June, 2006
    @ 17:18

    Ja, Martin schrob -> das auch schon

  12. loellie meint dazu:,

    2. June, 2006
    @ 22:50

    »Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende«

    groeoeoeoehl >>Fortentwicklung

  13. Sven meint dazu:,

    3. June, 2006
    @ 00:15

    Ja, die Grundsicherung wird fortentwickelt, bis sie irgendwann auch wirklich ganz fort ist….

  14. loellie meint dazu:,

    3. June, 2006
    @ 09:50

    Komisch, ga hat es den groessten Teil meines Kommentars verschluckt … was solls, verstanden hat mans ja auch so.

    Was anderes, dank der geografischen Lage meines Wohnorts sind wir als dem Popcorn Kino und TV zugeneigten Konsumenten, ueppig mit Kanaelen ausgestattet, welche Filme und Serien im Zweikanalton ausstrahlen. Zusaetzlich haben wir uns der BBC wegen einen digital Receiver zugelegt. Da die entsprechenden Programme aber so wie ich es gern haette in keiner Zeitschrift gelistet sind, durchforste ich das Onlineprogramm verschiedener Sender im Netz.
    Falls es dich und deine Leser interessiert, kann ich gelegentlich auf Sendungen hinweisen.

    So wiederholt ab Montagnacht BBC2 eine dreiteilige Doku ueber den „˜Putsch‘ der Tory’s, was zur aktuellen Diskussion die wir gerade andernorts fuehrten und hier zum Thema passt.

    Tory Tory Tory, eine dreiteilige Doku beschreibt den Werdegang des Thatcherism.
    11:20 pm – 12:20 am 60mins (Achtung Zeitverschiebung, also 00:20 – 01:20)

    Weiteres hier:
    http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk_politics/4766446.stm

    Allein der Link ist schon Lesenswert

    Wer kein BBC empfaengt kann sein Gluck in verschlungen Niederungen versuchen. BBC-Programme als Public Domain zu bezeichnen mag formal juristisch nicht korrekt sein, aber da die BBC an einem Netzarchiv arbeitet …

  15. Sven meint dazu:,

    3. June, 2006
    @ 14:31

    Du musst aufpassen mit den < , das wird von WP schnell als HTML-Tag-Beginn interpretiert und dann verliert es alles was danach kommt… wenn du unbedingt ein < brauchst schreibst du besser & l t ; (ohne Leerzeichen natürlich)

Chinas Wirtschaftswunder

Klar, erst die billigen Arbeitssklaven ab Kindesalter ausnutzen und den letzten paar hiesigen Arbeitnehmern auch noch erzählen, sie seien selbst Schuld, weil sie es wagen, unter diesen „Weltbedingungen“ immer noch Geld für ihre Arbeit haben zu wollen, aber dann jammern, dass das logischerweise mit den Arbeitsplätzen auch dort hin verbrachte Know-How dort doch tatsächlich Füße kriegt.

Und „Plagiate“? Viele dieser „Plagiate“ sind die normale Markenproduktion, die halt nur nicht die „Veredlung“ durch Anbringung des Markenlogos durch den Betrieb, der die Rechte an dieser Marke hat, erhalten hat. Drum sind viele dieser „Plagiate“ auch nicht minderer Qualität als die „Originale“. Weil sie oft gar von denselben Arbeitern in den selben Fabriken an den selben Maschinen hergestellt werden.

Mensch, Wirtschaft, du bist doch selber Schuld, erst den Reibach machen wollen auf Kosten der hiesigen wie der dortigen Allgemeinheit, und dann heulen, wenn sich diese kurzsichtige Strategie als schnellebiger Fehler mit langfristiger Negativbilanz rausstellt.

Und glaubt doch nicht, dass China seine Millarden „Konsumenten“ euch überlassen wird, die schöpfen das zuallererst mal schön selber ab. Und ihr könnt froh sein, wenn ihr noch ein paar Krumen abbekommt. Das ist doch alles nichts neues.

China kann eine Chance sein. Aber ohne mittelfristige oder gar langfristige Überlegungen, die man mal in Betracht ziehen könnte, ohne gleich alles in ideologische Schubladen schmeißend abzuwimmeln, sondern nur mit dem schnellen Reibach im Kopf blind vorwärts zu stolpern und sich einem Regime anzubiedern, das letztlich per Ideologie diese Wirtschaft da ja doch sogar verachtet und entsprechend wenig Skrupel hat, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit über den Tisch zu ziehen (nur ein völliger Naivling kann das anders sehen), anstatt genau zu schauen, was gefahrlos geht und was halt nicht (es hat seinen Grund, warum in anderen Ländern Lohnpreise höher sind. Zumeist sind das keine schlechten Gründe, auch aus wirtschaftlicher Sicht!) wird schief gehen, q.e.d..

Vieles, was da heute als „linke Utopien“ abgetan wird, ist nicht mal so nebenbei gesagt garnicht so „links“, wie gern getan wird, sondern althergebrachte solide und stinknormale Volkswirtschaftslehre. Kann sich nur scheinbar kaum mehr wer dran erinnern, weil die BWLer im Moment die Überhand haben und definieren, was „Wirtschaft“ sei, übersehend, dass die Welt mehr als nur eine Ansammlung von Kennzahlen ist.

Wie blöd kann man denn noch sein! (ach, was frag ich überhaupt…)

(größtenteils via Rollinger)

4 Kommentare »

  1. Felix Deutsch meint dazu:,

    19. May, 2006
    @ 23:58

    Diese BWLer (und der überwiegende Teil der Journalisten in Wirtschaftsredaktionen auch angesehener Zeitungen) übersehen vor allem eine fundamentale Tatsache: „Wirtschaft“ umfasst alle am Warenaustausch beteiligten, also eben auch die lohnabhängigen Konsumenten.

    Diese stellen sogar die übergrosse Mehrheit dar.

    Dennoch liest man Schlagzeilen wie „Der Wirtschaft geht es gut“: Gemeint sind die Kapitalisten.

  2. Sven meint dazu:,

    21. May, 2006
    @ 19:36

    naja „die Kapitalisten“ sind wir systemtechnisch gesehen schon alle, und ich persönlich habe nichtmal was gegen Kapitalismus. Das Problem ist nur, dass es eben nicht „den Kapitalisten“ gut geht, sondern einem ganz bestimmten Teil von ihnen, auch auf Kosten der anderen.

    Denen nämlich, die in ihrer Identität vergessen haben, dass sie, bevor sie Kapitalisten sein können, zuallererst mal Menschen sind und Menschen um sich rum haben und eben nicht alleine sind auf der Welt. In einer guten Kindestube beginnt spätestens mit dem 6. Lebensjahr das Lernen dieser Einsicht, „Sozialisation“ nennt man das wohl. Und für 4-jährige ist so ein Verhalten und so eine Weltsicht auch völlig „normal“ und OK.

    Die, die damals allerdings verpasst haben, zu lernen, dass auch andere mit dem selben Recht Bedürfnisse usw. haben und die eigenen mit denen der anderen irgendwie in Gleichgewicht zu bringen sind, will man irgendwie als soziales Wesen durchs Leben gehen, und bis heute glauben, allein auf der Welt zu sein und die Umwelt als reines Mittel zur eigenen Trieb- und Anspruchsbefriedigung wahrnehmen („Nochmal! Mehr! Jetzt! Ich hab‘ Hunger! Ich will spielen! Ich will aber Pommes!“) haben nur dummerweise im Moment scheinbar das Sagen. Das heißt, wir werden von Ich-fixierten geistig auf der Stufe von 4-jährigen stehenden Sozialneurotikern bestimmt. Und das ist auch für einen Kapitalismus -> auf Dauer tödlich

  3. rollinger meint dazu:,

    23. May, 2006
    @ 15:02

    Warum bin ich so stolz, daß mein 4 jähriger Sohn, obwohl Einzelkind das Teilen eben bei der Tagesmutter durch seine 3 Kollegen so in sich hat, daß er sein letztes Spielzeug verschenkt und durch ein paar andere Arschgeigen im Kindergarten quasi über den Tisch gezogen wird?
    Was soll ich ihm beibringen? Ist das gut, oder wird er ein Verlierer?

  4. Sven meint dazu:,

    23. May, 2006
    @ 16:35

    Das ist im Moment keine Frage, die du derzeit ausgerechnet mir stellen solltest…

    …obwohl, vor ein paar Wochen wär’s schlechter gewesen, da hätte ich dir tatsächlich einfach geantwortet, mit viel Sarkasmus und gegen alle meine Überzeugungen.

    Frag‘ mich in ein paar Wochen nochmal, dann, wenn das so weitergeht wie bislang *klopfaufholz*, bin ich auf einem Stand, der eine „richtige“ und „gute“ Antwort möglich macht. Hoffentlich…

Wenn politische Entscheidungen nicht mehr auf Fakten basieren

kommen Populisten wie die Schönbohms, Schäubles, Schillys, Kochs und wie sie alle heißen (Stoibers und Becksteins nicht zu vergessen) ihrem offensichtlichen Ziel, aus einem sozialen Rechtsstaat einen – gar schon willkürlich anmutenden – bürokratischen Obrigkeitsstaat, die dessen Einwohner in völliger Ohnmacht als Spielball der „Mächtigen“ zurücklässt, zu machen gefährlich nahe.

Denn gerade das ständige „Sicherheits“-Gequatsche, das dem Otto Normal da draußen suggeriert, die Zeiten würden immer gefährlicher und unsicherer, Verbrechen all überall, gegen das nur ein „hartes Vorgehen“ hülfe, basiert, wie das Wissenschaftsmagazin „nano“ berichtete, auf einer vor allem durch die Boulevardisierung in den Medien zurückführbaren Verzerrung der Realität und damit der Wahrnehmung eben jener seitens des Bürgers.

[…]Obwohl man in den Nachrichten permanent über Kriminaldelikte hört und liest, sinkt die Zahl der Straftaten in Deutschland tatsächlich von Jahr zu Jahr. Das hat Christian Pfeiffer, ehemaliger Justizminister von Niedersachsen und heutiger Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts des Bundeslandes anhand von Statistiken festgestellt: „Die gefühlte Kriminalitätstemperatur entspricht absolut nicht der Realität.“ Im Vergleich zu vor zehn Jahren ging die Zahl der Morde um 40,8 Prozent zurück.

Banküberfälle nahmen um 44,4 Prozent ab und die Zahl der Wohnungseinbrüche sank um 45,7 Prozent. […]

nano: Immer weniger Verbrechen, doch die Angst wird größer

Nun ist das ja vom Effekt her nicht wirklich neu (und langsam weiß ich wieder, warum ich mein Blog mal so nannte wie es jetzt heißt), aber die These dass schwerpunktmäßig „das Fernsehen Schuld“ sei ging mir da heute nicht mehr aus dem Kopf, denn mein Grundreflex ist eigentlich der, zu sagen (äquivalent zu den dümmlichen Diskussionen um „Killerspiele“ und all den Quatsch) dass ich das eigentlich nicht so recht glauben kann. Und in der vereinfachten These einer „direkten“ Kausalität auch nicht tue, denn letztlich gewinnt man Kompetenz, hier Medienkompetenz, nicht durch Vermeidung (oder gar Verboten, wie die populistischen Politiker allenthalben aktionistisch aus solchen Studien schließen, um sich letztendlich aber nur um ihre eigenen Verantwortungen zu drücken) sondern durch reflektierte Beschäftigung mit entsprechenden Dingen.

Erschreckend und neu war für mich allerdings die Information über manche Konsequenz dieser Tendenzen, z.B. dass trotz Rückgang der Kriminalität die Gefängnisse voller sind als je, weil das Strafrecht völlig gegen den Trend immer mehr verschärft wurde, immer mit dem Argument, „abschrecken“ zu müssen, zu Gunsten einer Sicherheit, die in Wahrheit schon längst größer war und ist als wie sie uns da verkauft wird. Warum? Vielleicht hat nano mit dieser These ja recht:

[…]Wie Justiz-Professor Bernhard Haffke von der Uni Passau herausgefunden hat, hat es seit 1998 im deutschen Strafrecht nur noch Gesetzesverschärfungen gegeben. Bei fast allen größeren Straftatbeständen hob der Gesetzgeber die Strafandrohungen ganz wesentlich an. Dabei war die Zahl der Straftaten schon vorher kontinuierlich massiv zurückgegangen. Ein Grund für diese Verschärfung könnte in der Legitimation des Staates liegen.

In Zeiten, in denen der Staat den Bürgern offensichtlich keine ausreichende Sozial-, Renten- und Gesundheitsversorgung mehr anbieten kann und auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen versagt, muss er sich eben anders legitimieren. Um die hohen Ausgaben für die eigene Unterhaltung zu rechtfertigen, propagiert die Politik den Sicherheitsstaat und die Einschränkung von Freiheitsrechten, obwohl sie eigentlich die Demokratie schützen soll. […]

nano: Weniger Verbrechen – mehr Menschen sitzen im Gefängnis

Dann fiel mir aber ein, dass es einen eklatanten Unterschied gibt zwischen dem, was man heute (nicht nur, aber dort noch immer sehr viel stärker) von den Privaten auf den Bildschirm geschmiert bekommt und dem, was ich von „Fernsehkonsumfreudigeneren Zeiten“ her kenne, bevor ich in den letzten Jahren selbst mein Medienverhalten änderte (nämlich, immer weniger und dafür immer gezielter und punktueller fern zu sehen – eben wegen jener Veränderungen). Heißt, anstatt (wie auch Pfeiffer allzuoft) ständig nur Quantitäten gegeneinander zu stellen und lustige Kausalketten drauf aufzubauen, wäre es wohl mal interessant, sich die qualitativen Veränderung des Wahrzunehmenden anzuschauen und mit dem abzugleichen, was die Leute aus ihren Wahrnehmungen auf die sie umgebende „Realität“ zurückschließen.

In den letzten paar Jahren kamen gerade in den Privaten inflationär Formate auf, die bewusst die bisher halbwegs klaren Grenzen zwischen fiktionalen Inhalten (wie Krimis, Actionfilme o.ä.) und Realität „vermittelnden“ (wie Reportagen und Dokumentationen) aufweichen – da werden jeden Tag auf mehreren Sendern von „echten“ Richtern und „echten“ Staatsanwälten o.ä. „Fälle“ behandelt, einerseits so banal und damit „alltäglich“ wie möglich, andererseits so schlecht „gestellt“, dass es einen an die nachgespielten Fälle von „XY-Ungelöst“ erinnert – und die waren ja auch „echt“, das machte ja damals schon den Grusel aus.

Wenn das Argument korrekt ist, dass „Killerspiele“ und „Gewaltfilme“ einen „normal“ sozialisierten Menschen nicht zum schießwütigen Gewaltmonster mutieren lassen, eben, weil (und diese Erfahrung kann ich voll und ganz bestätigen) schon Kinder sehr gut zwischen ihren fiktionalen Spielwelten, und eben auch denen im „gespielten“ Film oder Computerspiel, und der „Welt in echt“ unterscheiden können, dann ist es wohl genau diese Tendenz, seitens der Massenmedien diesen Unterschied immer mehr verschwimmen zu lassen, die tatsächlich die fiktionale „kriminelle“ Welt in die völlig ungefährliche Realität als Wahrnehmung ohne reales Gegenstück herüberschwappen lässt.

Das Ergebnis sind völlig überängstliche Eltern und Großeltern, die ihre Kinder am liebsten nur noch mit Bodyguard „nach draußen“ lassen würden und nicht mehr schlafen können, wenn der Sprössling beginnt, abends auf Parties zu gehen oder gar mal über Nacht wegbleiben zu wollen, Menschen, die sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus trauen und Kinder, die durch das Beispiel ihrer Eltern und Großeltern tatsächlich schon richtige Phobien entwickeln und die Umwelt als potentiell bedrohlich beigebracht bekommen, und damit langsam eine wachsende Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens, das ich persönlich jetzt schon als unerträglich empfinde.

Und dann kommen die Herren Politiker auch noch und nutzen auf unverantwortlichste Art und Weise diese völlig unbegründeten Ängste für ihre Zwecke. Klar, wer Angst hat muckt nicht auf. Es gibt Dinge inzwischen, da muss man sich schon sehr anstrengen, fiktionale Vorstellungen streng von realistischen Handlungen getrennt zu halten.

Ob es da wirklich hilfreich ist, diese Trennungsschärfe auch noch bewusst und mit „Gewalt“ aufzuweichen? Nicht, dass eben jene Herren eines Tages aufwachen und um sie herum haben sich gerade die Fiktionen, die so „in echt“ freilich keiner wirklich wollen kann, Bahn in die Realität gebrochen, die sie tatsächlich verhindern wollten… man wird ja nochmal träumen dürfen… noch, jedenfalls.

Mal sehn wie lange noch….

Niemand hat die Absicht…

…eine Mauer zu bauen. Und die LKW-Maut auf PKWs auszuweiten war ebenfalls nie beabsichtigt. Eigentlich. Aber was kümmert einen Politiker schon das Geschwätz von gestern.

Mal sehen, wie schnell dann auch diese Daten „natürlich streng geregelt“ auch für andere Überwachungszwecke genutzt werden „müssen“, denn die Erfahrung zeigt: wo etwas möglich ist kommt jemand her, der das auch entgegen allen Beteuerungen vorher nutzen will und wird

Für mehr Nazivergleiche

Der kleine Einwurf von „metablogger“ in den Kommentaren zur Söllner-Verurteilung hat mich etwas ins Grübeln gebracht. Er bemerkte dort, dass die Gefahr bestehe, dass das Vergleichen der Naziverbrechen mit Dimensionen unserer kleinkarierten Politiker diese Verbrechen verharmlose. Im ersten Impuls gebe ich ihm da völlig recht, der Nazivergleich ist heutzutage schnell bei der Hand, und auch ich habe mich oft gestört gefühlt von dieser Inflation dieser Vergleiche, deren Häufigkeit mir als eine zunehmende erscheinen will.

Die Taten der „Nazigrößen“ waren in der Tat so ungeheuerlich, dass sich jemand schon sehr anstrengen muss, „vergleichbares“ zu bewerkstelligen, und ein Provinzpolitiker wie der Koch, der mit einer Unterschriftenaktion gegen Ausländer einen Wahlkampf in einem Bundesland betreibt – und ihn gewinnt, oder ein Gauweiler Stoiber (danke für die Korrektur, Felix) , der von einer „durchrassten Gesellschaft“ spricht – ist noch lange kein Göbbels, der sich vor die Menge stellt und die Juden als „unseren Untergang“ bezeichnet und die brennenden Synagogen der Kristallnacht bejubeln lässt.

Was aber, wenn man von der anderen Seite herangeht? Hitler, Göbbels, Göring und Co. waren letztlich auch „nur“ Menschen. Auch wenn das in der Retrospektive ob des immensen Schattens der Ungeheuerlichkeiten, für die sie verantwortlich zeichnen, aus den Augen gerät. Da stehen sechs Millionen und mehr Tote, Juden, Zigeuner, Systemgegner usw., die mit industrieller Akribie umgebracht wurden, und das macht jene, die dafür primär verantwortlich sind zu Übermenschen, die man mit „normalen“ Menschen nicht mehr vergleichen kann?

Ist es nicht vielleicht gerade gefährlich, diese normalen Menschen namens Adolf, Joseph, Georg, usw., so zu erhöhen und damit faktisch dem Zugriff des „Normalen“ zu entrücken, indem man sie zu Monstern und damit Über(un)menschen stilisiert und „entmenschlicht“?

Nimmt man sich damit nicht sogar das Bewusstsein darüber, dass es eben „normale“, mindestens so kleinkarierte Politiker wie manch einer unserer Tage, waren, die da agierten?

Die das nicht taten, weil sie „außergewöhnlich“ waren (sondern letztlich sogar schmerzhaft „normal“) sondern weil sie in eine Position kamen, es zu können? Weil sie „ermächtigt“ wurden dazu? Weil sie auch auf Grund solcher Ermächtigungen am Ende Kritiker endgültiger mundtot machen konnten als es heute hierzulande möglich ist?

Ich habe in der Frage des Nazivergleiches meine Meinung geändert. Ich denke, es ist höchste Zeit für Nazivergleiche.

Es kann garnicht genug verglichen werden, in Zeiten, in denen die Freiheiten und Rechtsstandards, die wir heute haben, im Namen der „Terrorbekämpfung“ und des „Schutzes der Freiheit“ immer weiter abgebaut werden und schon über die Ermächtigung dazu nachgedacht wird, die Armee im Landesinneren, also im Zweifel auch gegen die Bürger des Landes, für dessen Verteidigigung sie gedacht ist, einzusetzen. In denen ein Innenminister es „mit Sorge sieht„, dass das Bundesverfassungsgericht die Persönlichkeitsrechte „in Zeiten des Kampfes gegen den Terror“ seiner Meinung nach zu hoch ansetzt. In denen technisch ein Grad an Überwachung realisiert ist, der keine Blockwarte und Denunzianten mehr braucht und der jeden Menschen ersteinmal als grundsätzlich verdächtig voraussetzt.

Denn wenn wir solange warten, bis „normale“ kleinkarierte und spießige Stammtischquassler sich die Möglichkeiten so weit erweitert haben, dass auch sie (und die, die es ihnen ermöglichten!) zu neuen unvergleichlichen Ungeheuerlichkeiten ermächtigt wären, ist es zu spät für Vergleiche – denn dann ist es schon das Gleiche.

Gerade der Vergleich führt zur Erkenntnis: es ist geradezu „normal“, das, was möglich ist auch soweit zu nutzen und nutzen zu wollen, wie es möglich ist.

Die Nazizeit (und der Weg dahin) ist Geschichte, die besser nie passiert wäre. Aber sie ist passiert, und das einzige, was man nun damit anfangen kann ist, keine Wiederholung mehr zu zu lassen. Das erreicht man nicht, indem man sie als Einmaligkeit begreift. Sondern als etwas anerkennt, dessen Existenz beweist was „normalen“ Menschen in einer „normalen“ Gesellschaft unter bestimmten Umständen möglich ist. Und indem man ein waches Auge darauf hat, ob aktuelle Umstände sich jenen, die das ermöglicht haben, annähern. Damit gegen gesteuert werden kann, solange das Niveau „nur“ ein kleinkariertes ist. Denn wenn es diese Dimension erst mal überstiegen hat ist es zu spät.

Lieber sag‘ ich dann doch: „Ein Glück, dass wir verglichen haben“. Anstatt „Wie konnte das nur passieren“…

P.S.: achso, falls jemand bis hierher gelesen hat und sich denken sollte „Aber das kann man doch alles nicht miteinander gleich setzen“, der möge kurz drüber nachdenken, ob „gleich setzen“ und „vergleichen“ tatsächlich gleich gesetzt werden kann, wenn man das, was diese Begrifflichkeiten beinhalten, vergleicht ;-)

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Freie Meinungsäußerung in Zeiten künstlerischer Unfreiheiten

Nicht zuletzt weil ein „Schorschi“ unten in den Kommentaren zur Stoiber-Rede bei der bairischen Einheitspartei CSU keinerlei Fischerei an den rechten Rändern der Gesellschaft ausmachen konnte, hier ein aktueller Artikel der Süddeutschen über Beckstein, der gezielten Instrumentalisierung eines jugendlichen Straftäters und die Veruteilung des Liedermachers Hans Söllner, weil die Liedzeilen

Früher hams Hitler ghoaßn oder Himmler
wisst’s es no, heit hoaßns Beckstein und Haider
rüher warn’s de Juden, heit de Türken
des kimmt ja echt aufs selbe raus
Ihr schürt’s den Hass von Millionen
und suachts für eure Fehler Leut
de ma verhoazn ko wia damals
und koana merkt’s, was ihr da treibts.

Herrn Beckstein beleidigt hätten.

Die Verteidigung Söllners begründete die Erwähnung des Namens Becksteins im Zusammenhang des Liedthemas darin, dass Söllner seiner Auffassung, Beckstein habe den Fall „Mehmet“ zur Wahltaktik genutzt und bewusst zur Stimmungsmache „aufgeheizt“, künstlerisch Ausdruck geben wollte, wie der Süddeutschen in ihrem Onlineartikel zu dem Thema zu entnehmen ist:

Die langwierige Verhandlung sorgten für Spekulationen in einem anderen Bereich: Im Zusammenhang mit dem Prozess waren Vorwürfe gegen Beckstein laut geworden, er habe im Fall der 1998 veranlassten Ausweisung des türkischstämmigen jugendlichen Straftäters „Mehmet“ aus rein wahltaktischen Gründen gehandelt. (Im September 1998 wurde nicht nur der Landtag, sondern auch der Bundestag neu gewählt.)

[…]

Der Münchner Anwalt Alexander Eberth hatte vor Gericht bezeugt, der CSU-Politiker habe vor der Landtagswahl 1998 die Straftaten des damals 14 Jahre alten Türken Muhlis A., der unter dem Pseudonym Mehmet bekannt wurde, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, um Empörung zu schüren. Eberth hatte den Jugendlichen vertreten.

Söllners Verteidiger Jürgen Arnold berief sich im Prozess auf Eberths Aussage. Arnold sagte, er könne sich vorstellen, dass Becksteins Ausländerpolitik tatsächlich den Hass auf eine Minderheit, nämlich die in Bayern lebenden Türken, schüren könnte. […]

Die Printausgabe der Süddeutschen geht noch ausführlicher auf dieses Urteil und seine Hintergründe ein. Dort amüsierte ich mich vor allem über die leicht süffisante Formulierung, dass Beckstein „von einem Pflichtbewussten Staatsanwalt in Kenntnis“ über das Lied gesetzt worden sei…

Karan, bei der ich das Thema und den Link zum Scan des Print-Artikels fand, kann ich mich da nur anschließen, wenn sie schreibt:

[…] Die Freiheit der Kunst soll also „in den Hintergrund“ treten… das, was daraufhin „im Vordergrund“ steht, läßt mich schaudern. Und bestätigt, wovor Söllner warnt.

ebenso wie ich Dukes Aufruf in ihren Kommentaren nichts hinzuzufügen habe:

Also laßt den Söllner nicht allein, sondern zeigt Rückgrat und steht auf. Der Mensch ist nicht zum Bückling geboren. Daran werden sich auch die gewöhnen müssen, die notlos zu staatlichen Machtmitteln greifen, weil sie keine Argumente haben.

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Stoiber auch „irr“?

Wenn ein Nicht-Medienprofi, noch dazu kurz nach lebensbedrohenden Erfahrungen, vor laufender Kamera Schwierigkeiten in stringenter und eloquenter Formulierung des gesprochenen Wortes zeitigt, ist eine solche Person (bestenfalls!) „irr“.

Was ist dann jemand, der unverständliches Zeug in ein Mikrofon brabbelt (inklusive Original als mp3), dem man aber eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit Medien und öffentlicher Rede zugestehen muss und der über vergleichsweise unemotionale Thematiken spricht?

In der Transkription von Mathias Schindler liest sich das übrigens so, und dabei sind schon einige „äh“s weggelassen worden, die den „Satz“ zu einem noch unverständlicheren Wust fragmentiert hätten:

„Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten ohne daß Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen am am Hauptbahnhof in München, starten Sie ihren Flug – zehn Minuten schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an, wenn Sie in Heathrow in London oder sonstwo meine s Charles de Gaulle in äh Frankreich oder in Rom wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen, wenn Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, daß zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen um ihr Gate zu finden – Wenn Sie vom Flug- äh vom Hauptbahnhof starten Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen in an den Flughafen Franz-Josef Strauß dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München – das bedeutet natürlich daß der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern an die bayerischen Städte heranwächst weil das ja klar ist, weil aus dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen.“

Nachtrag: Mario hat inzwischen das Rätsel um die Herkunft dieses Zeitdokuments gelöst.

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Die Freiheit zu Tode schützen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will zum besseren Schutz bei der Fußball-Weltmeisterschaft das Grundgesetz ändern, um einen Bundeswehreinsatz im Innern zu ermöglichen.

„Warum sollten wir den Objektschutz nicht vorübergehend, zur Entlastung der Polizei, von der Bundeswehr machen lassen“, sagte der CDU-Politiker in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ […]

meldet Reuters.

Die Frage kann ich Herrn Schäuble beantworten: Weil das nicht die Aufgabe der Bundeswehr oder überhaupt von Militär ist, der Bevölkerung gegenüber zu stehen – naja, außer in China oder ähnlich totalitären Staaten eben. Hier die Bürger, dort die Armee – die „Väter“ des Grundgesetzes haben sich etwas (sehr Gutes) dabei gedacht, hier eindeutige Regelungen zu beschließen!

Die Erfahrung lehrt, was von Formulierungen wie „vorübergehend“ oder „keinesfalls daunddafür nutzen“ bzw. „strenge Ausnahmen“ etc. zu halten ist, nämlich nichts – Möglichkeiten wecken Begehrlichkeiten, und was machbar ist, wird auch gemacht. Dass eine Grundgesetzänderung nach der WM wieder zurückgenommen wird ist doch wohl völlig illusorisch. Der Aufwand, für ein paar Wochen das GG zu ändern und dann wieder zurück? Sorry, aber wer soll denn so einen Blödsinn glauben? Überhaupt muss man sich das mal reintun: Wegen eines Sport- und Wirtschaftsevents wird die Verfassung eines Staates geändert? Wo sind wir denn?

Mit der Möglichkeit, die Armee gegen die eigenen, datentechnisch völlig gläsernen und seiner Persönlichkeitsrechte immer mehr beraubten, Bürger einzusetzen, muss man sich langsam fragen, ob die Furcht vor dem Dräuen eines neuen Totalitarismus wirklich nur etwas für Verschwörungsparanoiker ist. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand ernsthaft will. Aber, verflixt, warum tun sie es denn dann trotzdem?

Ich wiederhole mich, glaube ich, wenn ich feststellen muss, dass ich der 30-er Jahre Generation langsam glaube, wenn sie erzählen, dass sie nicht „gewusst“ haben, wohin da damals die Reise ging, bis es plötzlich zu spät war. Es scheint tatsächlich so, dass das hintendieren zu totalitären Strukturen weitgehend unbemerkt von Statten geht. Das Perfide diesmal ist, dass es ebenjene Freiheitsrechte sind, die da „geschützt“ werden soll – nunja, so geht das natürlich auch: was nicht mehr da ist kann auch nicht von „Terroristen“ angegriffen werden…

Ähnliche Fragen stellt sich auch Richard Gleim im Mehrzweckbeutel, bei dem ich die Meldung fand. Ja, das ist dort, wo ich damals auch die Frosch – im – Kochtopf – Story gefunden hatte.

8 Kommentare »

  1. Nils meint dazu:,

    16. December, 2005
    @ 15:35

    Du fragst „Wo sind wir denn?“ – Ich antworte: In Deutschland. Da kann sowas schon einmal passieren. :-) Ich stimme Dir zu, dass es äußerst illusorisch ist, zu glauben, dass man temporär mal das GG ändert. Würde es geschehen, dann hieße es mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der WM „Wieso? Lief doch alles gut. Hat nicht geschadet. Wird auch weiterhin nicht schaden. Wir lassen das!“ – Wäre ja auch wieder ein vieeeel zu großer Aufwand, das Gesetz rückgängig zu machen. Also lassen wir das mal so, wie es ist – Falsch gedacht liebe Politiker!

    Bin mal gespannt, wie es die Medien aufnehmen. Oder ob die schon alle fröhlich eingenordet sind…

  2. Schwerdtfegers Weblog meint dazu:,

    16. December, 2005
    @ 17:24

    Staatssicherheit und Ordnung!

    Dass unser gegenwärtiger Innenminister, Wolfgang Schäuble, am Körper behindert ist, das ist kaum zu übersehen, wenn man hinschaut. Allerdings scheint er in letzter Zeit auch geistig nicht mehr so ganz gegenwärtig zu sein. Das teilt sich überdeut…

  3. Dr. Dean meint dazu:,

    16. December, 2005
    @ 20:47

    Innenpolitiker verhalten sich in dieser Beziehung m.E. ->irgendwie wie Junkies. Mit immer höheren Dosen wollen sie sich als entschlossene Kämpfer gegen Verbrechen, Terror bzw. „das Böse“ präsentieren.

  4. rollinger meint dazu:,

    21. December, 2005
    @ 16:06

    Der Schäuble mit seiner bösen Fischfresse kotzt mich an. Das ärgert ihn jetzt, daß Fr. Osthoff schon frei ist und lebt. Hätte er gerne noch ein paar Sicherheitsmechanismen eingebaut in unseren Staat.

    PS: Danke nochmals für den Tipp bei den Frames, hab was hinbekommen, was gewünscht wird.
    ich meld mich nochmal deswegen

  5. Sven meint dazu:,

    21. December, 2005
    @ 17:25

    Das ärgert nicht nur ihn, wie’s scheint, wenn ich mir da die Medien so anschaue, denen „ihre“ Top-Tränenstory dieser Weihnachtssaison flöten geht. Vor allem, wenn die Frau es jetzt richtig macht und denen grad erst Recht nochmal die kalte Schulter zeigt. Ich kotz‘ schon, drüben im Gjallarhorn schlagen im Moment 10 Googletreffer die Stunde(!) auf mit „Osthoff selber schuld“ und ähnlichem, da hat die Stimmungsmache der boulevardesken Medien also prima gewirkt und ist -> auf stammtischtrunkene Kleinhirne getroffen, die das gerne annahmen – ist doch so rum viel besser – Einen zu haben, -> der „Schuld“ ist mag der Mob und dass sich Opfer schnell mal in der Position des Täters wiederfinden ist ja für bestimmte Boulevardmedien schon Normalzustand, vor allem, wenn das Opfer eine Frau ist.

    Von einem Innenminister würde ich mir da lieber mal Sicherheit wünschen z.B. -> vor solchen Zeitungen wie BILD und deren Pseudojournalismus. Man muss ja wirklich Angst haben, in einen Unfall o.ä. verwickelt zu sein (wofür die Wahrscheinlichkeit wohl weit größer ist als in einen Terroranschlag zu geraten) und als Person, am besten noch mitsamt Familie etc. pp., von diesen Arschlöchern medial verwurstet zu werden. Was ich schon gehört habe, wie da BLÖD-„Reporter“ auch bei nicht-Promis Druck machen, um Tränen, Fotos etc. zu bekommen ist wirklich nur noch kriminell. -> hier könnte der Herr Innenminister mal die Bürger schützen

  6. rollinger meint dazu:,

    22. December, 2005
    @ 14:20

    WÜrden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß unsere Familie mal fast wegen der Blös Zeitung zerbrach?!
    Und heute lesen die das Blatt trotzdem noch.
    Wer ist eigentlich blöder?

  7. Sven meint dazu:,

    22. December, 2005
    @ 15:13

    Glaub‘ ich unbesehen. Und auch, dass es Leute gibt, die daraus keine Konsequenzen zu ziehen im Stande sind – sonst würde es dieses Drecksblatt und ähnliches Geschmeiß nicht (mehr) geben.

    Übrigens: das „Sie“ irritiert mich ein bisschen, gebe ich zu, ich fühl‘ mich dann so alt (mein Kreuz ist taub, meine Ohren sind blind, meine Augen sind alt und gebeugt) – mich kann man ganz prima duzen :-D

  8. MeOnly Weblog – Gespinst einer Netzbewohnerin meint dazu:,

    5. January, 2006
    @ 08:54

    Horror vs. Terror

    Zugegeben, mir kräuseln sich in letzter Zeit immer öfter die Nackenhaare, wenn ich das aktuelle Tagesgeschehen in Deutschland verfolge. Den Medienberichten zufolge, habe ich derzeit die „Wahl“ zwischen zwei potentiellen Gefahrenquellen: Ein…