Schlagwort-Archive: Urheberrecht

Ärgernis des Tages: Die B.Z. zwingt mich, die GEMA in Schutz zu nehmen!

Es gibt ja viel zu kritisieren an der GEMA, wer mich kennt, weiß, dass ich wahrlich kein GEMA-Freund bin und aus für mich sehr guten Gründen deshalb den Aufbau der alternativen Verwertungsgesellschaft C3S unterstütze – was ihr übrigens hier auch tun könnt, wenn ihr möchtet und könnt. Wir bauen das Teil derzeit fast ausschließlich ehrenamtlich auf, dennoch gibt es laufende Kosten, was ein Problem ist, weil die während der Aufbauzeit nicht gedeckelt werden können. Weil noch keine Zulassung, und ohne Zulassung auch keine regulären Einnahmen. Aber ohne die jetztige Arbeit (und die damit verbundenen laufenden Kosten) auch keine Zulassung. Aber ich schweife ab.

Was ich sagen will: es ist überhaupt nicht hilfreich, wenn ein Boulevardblatt mit offensichtlichem Unfug auf GEMA-Bashing macht, weils so viele schöne Empör-Klicks gibt, ohne sich vorher mal wenigstens ansatzweise zu informieren. Denn damit werden Mythen in die Köpfe geschrieben, die so einfach nicht der Realität entsprechen. Was am Ende auch der C3S schaden wird, einfach, weil zu viele Leute falsch informiert darüber sind, wie öffentliche Musikdarbietung funktioniert.

Grade stolperte ich über diesen Artikel in der B.Z. – und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, den Kopf auf den Tisch zu schlagen ob des vielen Blödsinns, der in diesem Artikel steht. (LSR-Verlagslink, einfach „weiter zur Zielseite“ klicken)

Gema dreht Neuköllner Kiez-Kneipe das Mikro ab

Im Zapotek traten unbekannte Bands und Straßenkünstler auf. Bis die Gema knapp 700 Euro forderte – obwohl keiner der Musiker dort registriert ist. […]

Und schon im Teaser fass ich mir an den Kopf, weil es nun mal völlig egal ist, ob aufführende Musiker bei der GEMA „registriert“ sind (sie wären, wenn, „Mitglied“, weil die GEMA ein Verein… ach, wie gesagt, man weiß echt nicht wo anfangen), weil es hier um Urheber geht und nicht um Interpreten. Aber der Reihe nach:

  1. Natürlich muss eine öffentliche Musikdarbietung laut UrhG einer Verwertungsgesellschaft – und damit der GEMA, weil sie die einzige ist, die es gibt – gemeldet werden. Woher soll eine Verwertungsgesellschaft denn sonst wissen, dass es eine Veranstaltung gab? Diese Meldepflicht ist – zu Recht – gesetzlich festgeschrieben. Wir können uns gern über die GEMA-Vermutung, die sich aus dieser gesetzlichen Vorgabe und dem Umstand, dass die GEMA derzeit noch Monopolist ist, in der Folge als Rechtsauffassung entwickelt hat und an der man einiges zu Recht aussetzen kann, unterhalten, aber dass eine öffentliche Aufführung gemeldet werden muss ist doch völlig logisch. Wie sollen denn sonst berechtigte Ansprüche erkannt und berechnet werden? Per Hellseherei?
  2. Ob Musiker GEMA-Mitglieder sind hat nichts zu sagen, diese Information im Artikel wäre ausschließlich dann interessant, wenn dazu geschrieben würde, dass dort keinerlei Coverversionen sondern ausschließlich Eigenkompositionen gespielt würden. Was nicht dabei steht, deshalb gehe ich tatsächlich davon aus, dass dort Material anderer Urheberschaft gespielt wurde. Was bei „Straßenmusikern“ ja auch durchaus üblich und wahrscheinlich ist. Nach der Veranstaltung wird eine einfache Spielliste abgegeben, und wenn keiner der Urheber – also Texter und Komponisten – der gespielten Songs GEMA-Mitglied (oder einer ausländischen Verwertungsgesellschaft, die sich von der GEMA in DE vertreten lässt) ist, kostet es nichts. Nada. Nullinger.
  3. Der „unverhältnismäßige Aufwand“, eine Anmeldung vorher als auch eine Spielliste hinterher (nicht etwa, wie es im Artikel den Anschein erweckt, vorher) einzureichen ist gering, es gibt tausende Veranstaltungen und zig auch kleine Musikkneipen in ganz DE, die das problemlos und seit Jahr und Tag hinbekommen. Musiker wissen das im Normalfall auch. Ich hab solche Listen auch schon ausgefüllt, das ist eine Sache von 10 Minuten. Und ja, es ist gerechtfertigt, dass Komponisten und Texter einen finanziellen Anteil erhalten, wenn ihre Arbeit im Rahmen einer Wertschöpfungskette verwendet wird. Egal, ob die Wertschöpfung in Eintrittsgeldern, Werbung, Attraktivitätssteigerung oder Abverkauf von Getränken liegt.
  4. Einmalig knapp 700€ für 7 Monate und der Mann muss seinen Laden dicht machen? Sorry, aber dann stimmt schon was mit dem Laden nicht. 50€ für eine Veranstaltung mit 5 Gästen? Dann wurde hier der falsche Tarif gewählt. Ja, die GEMA-Tarife sind schwer durchschaubar (was allerdings in dem Artikel nicht kritisiert wurde, aber warum auch einen echten Kritikpunkt finden, wenns Allgemeinplätze und Plattitüden tun). Wobei ich persönlich nicht glaube, dass diese Zahl einen realen Hintergrund hat sondern einfach mal als Behauptung in den Raum gestellt wird. Im Gegenteil, wenn da 100 Euro im Monat angesetzt werden dürfte da ja nicht mehr als 2 Mal im Monat Musik gespielt werden. Es liest sich aber so, als sei das durchaus mehr.Ja, das Tarifsystem ist kritikwürdig. Und manche Tarife sind durchaus…. seltsam und schwer nachvollziehbar auch ob der Höhe der Kosten, ums freundlich auszudrücken. Aber ebendas sehe ich in diesem Artikel überhaupt nirgends angesprochen, da wird ausschließlich das Klischee bedient. Im Gegenteil, mir erscheinen 100 Euro im Monat als überraschend wenig, da kennt man durchaus andere Stories (von Leuten, die grundsätzlich gewillt wären und waren zu zahlen).
  5. Wenn dem Mann 100€ im Monat zuviel sind, um Livemusik im Laden zu haben heißt das wohl, dass die Musiker, die bei ihm spielen, wahrscheinlich für umsonst spielen. Jedenfalls lese ich nirgends die Beschwerde, dass diese immense Summe verhindere, den auftretenden Künstlern eine rudimentäre oder auch nur symbolische Gage zu zahlen, dafür, dass sie seine Gäste unterhalten. „Geht es nicht um Profit“ höre ich auch oft genug. Meist, um mir nicht einmal irgendwas anzubieten, das meine eigenen Aufwände etwas abfedert geschweige denn deckt.“Es geht nicht um Profit“ höre ich zu oft und zu schnell grade von Leuten, die mit einer Betonung auf das „Künstlerische“ gerade mit dafür sorgen, dass Künstler sich selbst ausbeuten und nicht aus der prekären Ecke rauskommen. Danke für nichts, „nicht für den Profit“ my ass. Der Mann führt ein Geschäft. „Nicht für den Profit“? Dann komm ich demnächst mal einen Kaffee da trinken. Mal sehen, was der sagt, wenn ich ihn großäugig anschaue und frage „Wie jetzt? Du machst das doch nicht etwa für den Profit? Ich empfehle dich doch auch weiter!“ wenns ans Zahlen geht.
  6. Der Mann müsste nicht einmal diese 700€ zahlen, wenn er tatsächlich ausschließlich GEMA-freie Künstler, die ausschließlich eigenes Material spielen, in seinen Schuppen holte und der GEMA einfach die Veranstaltung als GEMA-frei mit einer entsprechenden Spielliste meldete, es gibt deren durchaus. Ja, kann sein, dass die GEMA Kontrolleure schickt. So what, dann hat die GEMA Geld für nix ausgegeben und man kann sie sogar auslachen dafür.

Ich halte es aber aus eigener Erfahrung gar nicht für besonders unwahrscheinlich, dass der Mann solche Leute gar nicht erst annähme, angesichts der Absagen, die z.B. meine Band, GEMA-frei und nur Eigenkompositionen, regelmäßig bekommt, ohne dass überhaupt mal reingehört wurde. Weil schon bei Erwähnung von Eigenmaterial abgewunken wird und die Begründung dabei grundsätzlich ist „Wenn ihr nicht mal ein paar Covers bekannter Bands spielt, die die Leute aus dem Radio kennen, bin ich nicht interessiert, gegen ein zwei eigene Stücke im Set hätte ich nichts, aber ausschließlich Eigenes, nein, kein Interesse.“

Wie gesagt: es gibt wirklich genug an der GEMA auszusetzen, auch und gerade seitens Veranstaltern, die ich zum größten Teil als durchaus einsichtig kenne, was Abgaben an Verwertungsgesellschaften selbst betrifft. Deren Kritik ist im Normalfall nicht, dass sie was zahlen sollen, sondern liegt woanders, sei es im Tarifdschungel, in mancher Willkürlichkeit, die u.a. auch ebendiesem Dschungel und anderen Intransparenzen geschuldet ist und in tatsächlichen bürokratischen Aufwänden, die aber dann deutlich außerhalb des bisschens Spielliste-Melden liegen. Es gibt Fälle von falscher Beratung, falschen Tarifen, die angesetzt wurden, entsprechenden Rechtsstreitigkeiten und was nicht alles. Da muss niemand irgendwas blödsinnig skandalisieren, was gar kein Skandal ist. Solche Artikel sorgen am Ende dafür, dass die berechtigte Kritik nicht mehr gehört wird, weil jegliche Kritik als „typische Skandalisierung und GEMA-Bashing“ verunglimpft werden kann. „Cry Wolf“-Effekt.

In diesem Artikel jedenfalls finde ich nicht einen Punkt der tatsächlichen Probleme, die Künstler und Veranstalter mit der GEMA haben, aufgelistet. Nicht einen einzigen. Obwohl es wirklich mehr als genügend davon gäbe.

Und ja, ich ärgere mich über solche Artikel, die mich quasi zwingen, dass ausgerechnet ICH ein langes Posting schreiben muss, das ausgerechnet die GEMA verteidigt!

Ich hab nämlich eigentlich besseres zu tun:

Singvøgel auf der C3S-Party in Potsdam
Ich mit Singvøgel auf der C3S-Party in Potsdam

 


Ich habe da einen Artikel über Creative Commons geschrieben

…drüben, im Weblog der Singvøgel. Anlasshalber, weil wir unser neues Album ja unter einer CC-Lizenz veröffentlicht haben. Zum einen erkläre ich, was das konkret für die Beteiligten bedeutet. Zum anderen, warum wir das gemacht haben. Und zum dritten, unter welchen Umständen das eine gute Idee ist. Und unter welchen (noch) nicht.

[…] [Wir] hoffen […] darauf, dass die Initiative zur Gründung einer alternativen Verwertungsgesellschaft so schnell wie möglich realisiert werden kann. Die C3S ist letztlich der konsequente und notwendige Schritt zur Professionalisierung der Creative Commons Idee.

Die Vorteile für den privaten Musikfan bleiben vollkommen erhalten, „CC“ bedeutet für den Privatnutzer nicht mehr und nicht weniger als „Braucht sich keinen Kopf zu machen“; die wenigen Einschränkungen, die ihn vielleicht betreffen könnten, sind in den Kürzeln auf einen Blick klar ersichtlich und eindeutig.

Dafür bringt eine Verwertungsgesellschaft, die (im Gegensatz zur GEMA) Werke und nicht Personen vertritt, für den Urheber selbst maximal feinjustierbare Kontrolle darüber, welche Rechte er von der Gesellschaft für welches Werk vertreten und verwertet sehen möchte und welche nicht, und für kommerzielle Nutzer und Verwerter den Vorteil, auch für CC-Werke einen einzigen Ansprechpartner zu haben, bei dem er entsprechende Rechte für seine Bedürfnisse einholen kann und die zentral die Vergütungen dafür einnimmt und an die einzelnen Künstler weiterreicht. Und das auch hier sehr fein granulierbar.

Aus diesem Grund unterstützen wir die Idee der C3S auch aktiv. Und rufen Künstler wie auch Musikliebhaber dazu auf, dies auch zu tun. Künstler können dies vor allem auch damit tun, dass sie eine Absichtserklärung zum Beitritt zur C3S unterzeichnen. Damit sich Creative Commons und der Gedanke dahinter irgendwann so stark und als so selbstverständliche Option durchsetzt, dass es nicht mehr nötig sein wird, solche langen Monsterartikel zu schreiben wie diesen hier, nur um euch zu erklären, was das eigentlich ist, sein soll und wofür es gut ist….

Der komplette Artikel hier: Creative Commons – was ist das denn JETZT schon wieder?

 

Till Kreuzer über das Urheberrecht

Till Kreuzer hat einen langen, interessanten Aufsatz über die Herausforderungen an ein modernes Urheberrecht geschrieben. Und fordert darin, die Vermischung von Urheber- und Wirtschaftsrechten aufzuheben, da u.a. genau diese Vermischung zum einen Privatpersonen in einen für sie eigentlich nie „gedachten“ überkomplexen Rechtsrahmen gezogen hat, innerhalb dessen diese ständig und zwangsläufig nun mit ebenjenen Rechtsschranken ständig in Konflikt geraten, ob sie das nun wollen oder nicht, zum anderen diese Vermischung für ein Ungleichgewicht zu Ungunsten der Urheberseite auch gegenüber rein wirtschaftlich agierender Protagonisten, die nicht Urheber sondern „nur“ Verwerter von deren Werken sind, führt.

Dass die Interessen zwischen privatem „Nutzer“, Urhebern und Verwertern – für alle drei Parteien – neu austariert werden müssen ist für jeden, der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema beschäftigt hat, ja (wenn er ehrlich ist) offensichtlich. Dass diese Austarierung IMO so fair ausbalanciert werden muss, dass zum einen das Vorteils-Übergewicht auf Verwerterseite, das die eigentlichen Urheber zu einfach in unfaire und vielfach sehr prekäre Abhängigkeitsverhältnisse zwingt, aufgelöst wird (keine Sorge, IMO wird kein Verwerter pleite gehen, der sein Geschäft zu fairen Bedingungen macht, es gibt genug seriöse Verwerter, die das schon immer tun und „trotzdem“ erfolgreich sind – im Gegenteil, solche Verwerter würden im Wettbewerb gestärkt, denn sie müssten nicht mehr „Billigheimern“ und Konzernen gegenhalten, die mit Vertragskonstrukten, die schon fast an Betrug, zumindest aber an Ausbeutung grenzen oder gar nur als solches zu bezeichnen sind, den Markt zu dominieren suchen), zum anderen den Privatmenschen wieder aus dem Rechtsrahmen herausnimmt, der nie für ihn gedacht war sondern bis vor vielleicht 15 Jahren sich ausschließlich an gewerbliche Marktteilnehmer wandte und nur für diese relevant (und gedacht) war, ist in der Tat mehr als überfällig.

Von der Idee einer „Kulturflatrate“ bin ich aus verschiedenen Gründen (u.a. Stichwort: Verteilungsschlüssel, Nachweisbürokratie und einiges mehr) nicht überzeugt, insoweit hoffe ich für die zu suchenden Lösungen noch auf etwas Phantasie, die den Spagat zwischen Bürokratie und Missbrauchspotential einerseits und der Vergütung und fairen Verteilung andererseits irgendwie gelöst bekommt. Aber für die Beleuchtung der grundsätzlichen Probleme und die Beschreibung dessen, wo es hingehen sollte (und warum) ist dieser Artikel eine saubere, sachliche und – vor allem – angenehm verständliche und somit nachvollziehbare Grundlage.

[…]Obwohl der Urheber schon immer auch und vor allem Schutz vor seinem Vertragspartner brauchte (dem Verleger, dem Filmhersteller usw.), war das Urheberrecht stets so ausgestaltet, dass er alle Rechtspositionen, die ihm Geld einbringen, mehr oder weniger vollständig abtreten konnte. Unter dem Diktat der Vertragsfreiheit wird es dem zumeist übermächtigen Verwerter überlassen, ob und wenn wie viel der Urheber von den Erlösen abbekommt. Nur das Persönlichkeitsrecht bleibt ihm, zumindest soweit wirtschaftliche Interessen des Verwerters hierdurch nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Ein solches System ist nicht dazu geeignet (man könnte mutmaßen: auch nicht dazu bestimmt), um den Urhebern ein Einkommen zu sichern.

Die im Urheberrecht angelegte – vermeintliche – Schicksalsgemeinschaft zwischen Urheber und Verwerter ist ein Geniestreich der Kreativwirtschaft und wohl einer der größten Lobbyerfolge aller Zeiten. Sie ist der Grund dafür, dass in Urheberrechtsdebatten sehr erfolgreich kulturelle, romantische und moralische Aspekte vorgeschoben werden (können), obwohl es fast ausschließlich um reine Wirtschaftsinteressen, genauer darum geht, den Verlagen, Musik- oder Filmunternehmen weitergehende Monopole zur Gewinnmaximierung zu bescheren.

Diese Vermischung völlig unterschiedlicher Funktionen in einem „Urheberrecht“ führt zu massiven Ineffizienzen und dazu, dass der Blick auf die unterschiedlichen Interessen und Anforderungen an den Schutz kreativer Leistungen verstellt wird. Dies zu unterbinden ist eine der großen Herausforderungen und wichtigsten Ansatzpunkte für zukünftige Urheberrechtsreformen. Eine konzeptionelle Lösung läge darin, die Interessen von Urhebern und Verwertern regelungssystematisch zu trennen. Man könnte in diesem Zuge ein „richtiges“ Urheberrecht schaffen, das den Interessen der Kreativschaffenden tatsächlich gerecht wird (das z.B. als wesentliches Element neben den Persönlichkeitsrechten ein starkes Urhebervertragsrecht aufweist). Neben das Urheberrecht wären spezielle Wirtschaftsrechte zu stellen, die gleichermaßen die wirtschaftlichen Interessen der Verwerter (Werkmittler) als auch einen funktionierenden Wettbewerb sichern.[…]

 

Schutzfrist für Musik soll von 50 auf 70 Jahre verlängert werden

Soso, es gibt also jetzt einen konkreten Gesetzentwurf, der das, was die Lobby seit Jahren will, endlich umsetzen soll. Naja, die Zeit wird für die Rechteinhaber ja auch wirklich langsam knapp. Rechteinhaber? Sind das nicht die Urheber, die Künstler, die Komponisten? Weit gefehlt:

Es geht hier mitnichten um den Urheber, denn es geht um AUFNAHMEN, nicht um das eigentliche urgehobene Werk „hinter“ der Aufnahme (Das ist nach wie vor über den Urheber selbst 70 Jahre bis nach seinem Tod geschützt, egal obs davon Aufnahmen gibt oder nicht): „Bisher erloschen die Rechte an Aufzeichnungen von Darbietungen ausübender Künstler wie zum Beispiel Musikern 50 Jahre nach ihrer Veröffentlichung. Bei Darbietungen, die auf einem Tonträger aufgenommen worden sind, verlängert sich dieser Schutz nun auf 70 Jahre.“ schreibt z.B. ein ehemaliges Nachrichtenmagazin irgendwo.

Man muss das wirklich mal deutlich machen, weil da z.B. beim SPON in den Kommentaren, aber auch anderswo, wo zu dem Thema diskutiert wird, schon jetzt wieder kaum jemand blickt, dass es eben nicht um „den Urheber“, „die Musiker“ und „Liederschreiber“, erst recht nicht um „gecastete Sänger“ usw. geht, denn, wie gesagt: bei ersteren beginnt die Uhr zum Verfall des Urheberschutzes der Werke erst nach ihrem Tod zu ticken, die letzteren wären Interpreten und sind damit eine ganz andere Baustelle. Aber man sieht schön, wie undurchsichtig und für viele völlig unverständlich dieser ganze Rechts-Mischmasch, der da munter Verwertungen und Werke selbst ständig durcheinander würfelt, für den „Normalverbraucher“ ist. Muss man sich nicht wundern, wenn da so viele immer wieder völlig unbedarft damit in Konflikt geraten.

Es geht also um z.B. die alten Beatles-Aufnahmen, die bald kostenlos weitergegeben werden dürften, was denen, die sie im Moment noch exklusiv verkaufen, natürlich nicht Recht ist

Wobei freilich niemand jemanden davon abhalten wird, sie dennoch zum Kauf anzubieten und auch niemand daran gehindert werden wird, sie zu kaufen anstatt irgendwo auf einer Plattform, die gemeinfreie Titel kostenlos anbietet, für lau runterzuladen. Gemeinfreiheit bedeutet, dass etwas nicht (mehr) verboten ist, nicht etwa, dass etwas nicht erlaubt sei.

Es hindert auch niemand z.B. Herrn McCartney daran, einen seiner Beatles-Songs nochmal in einer neuen Version aufzunehmen. Diese Aufnahme ist dann natürlich (bislang) wiederum 50 Jahre geschützt.

Weiterhin darf aber auch weiterhin niemand einen Beatles-Song selbst einfach aufnehmen und veröffentlichen, selbst wenn dessen erste Aufnahme nicht mehr geschützt wäre, denn in dem Fall gilt ja das Urheberrecht am Werk, und kein Beatle, der was komponiert oder getextet hat ist schon über 70 Jahre lang tot.

Da möchte eine Lobby kurz vor Torschluss für alte Beatles-, Elvis- usw. Aufnahmen noch mal 20 Jahre Exklusivrechte rausschlitzen und mehr nicht. Es kann in deren Augen ja nicht angehen, dass etwas, womit man noch richtig Geld verdienen könnte, plötzlich in den gemeinfreien Kulturpool für alle eingeht.

Bezeichnend: Bei den alten Bluesern der 30-er und 40-er und den Jazzern der 20-50ger hat da noch kein Hahn nach gekräht.

Und nein, dieses Bestreben ist freilich nicht neu, die Lobby versucht das schon seit Jahren, teils über Bande über Europäische Gesetzgebung. iRights.info hatte das Thema schon 2008 erklärt:

[…]Es geht um die Dauer der Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen, nicht um die Urheberrechte an Kompositionen und Liedtexten. Diese sind bereits heute bis 70 Jahre nach dem Tode der Komponisten/Texter geschützt. Bei der Debatte um die Schutzfristen geht es zum Beispiel um Aufnahmen der Beatles, Rolling Stones und anderer Musiker aus den frühen 60er Jahren. Die Leistungsschutzrechte dafür laufen in den kommenden Jahren aus und die Plattenfirmen, von denen die Leistungsschutzrechte überwiegend verwertet werden, fürchten um ihre Profite.[…]

Schwarz-Geld hat jetzt offenbar „endlich“ diesen Lobbywünschen nachgegeben. Und damit dafür sorgt, dass Kulturgüter auch nach 50 Jahren noch nicht als solche behandelt werden können sondern weitere 20 Jahre exklusive Wirtschaftsgüter bleiben. Was bedeutet, dass noch mehr als ohnehin schon in den letzten 50 Jahren von dem, was nicht Beatles, Stones oder Elvis ist, völlig in Vergessenheit geraten sein wird, denn diese Sachen werden ja eh nicht mehr verkauft, dürfen aber dennoch noch lang nicht einfach so verbreitet werden. Aber wen schert schon Kultur, es geht um Geld.